Der Fluch des Andvari (German Edition)
Vielleicht ließ sich etwas arrangieren. Eine Heirat würde sein Imperium sichern.
Freitag, 21. April
Mainz-Hechtsheim.
Der Wecker schellte. Röwer schreckte aus dem Schlaf. Mit einer fahrigen Handbewegung schaltete er den Störenfried aus. Durch das Fenster fielen die ersten Strahlen der Morgensonne. Vögel zwitscherten. Müde richtete sich Röwer auf und stieg aus dem Bett.
Es war spät geworden am gestrigen Abend. Lange hatte er sich mit den Spekulationen über den Serienmörder beschäftigt. Er erinnerte sich noch gut an die Zeit vor einem Jahr. Sein Onkel war einer der führenden Ermittler der Soko gewesen. Das BKA hatte auf Druck der Presse Nachforschungen angestellt und die Aufklärung übernommen. Bis dahin hatten die örtlichen Polizeidirektionen - so schien es - kein besonders großes Interesse daran gehabt, weder Täter noch Tatumstände zu klären. Die Journalisten hatten Verbindungen zwischen ähnlich gearteten Fällen gezogen, die das BKA dann konkret bewiesen hatte. Schon kurz darauf machte Röwers Onkel Andeutungen, dass es sich um Ritualmorde handeln und eine Gruppe dahinter stecken musste. Seine Kollegen hatten ihm jedoch widersprochen und an einem Einzeltäter festgehalten, den sie schließlich überführen konnten. Als sich Röwer nach dem vermeintlichen Suizid des Angeklagten tiefergehend mit seinem Onkel über dessen Theorie unterhalten wollte, war es bereits zu spät. Er fand ihn zu Hause, tot, in der Badewanne, eine leere Weinflasche auf dem Boden und ein Radio im Wasser. Stromschlag hatte der Arzt festgestellt. Keine Spuren von Gewalteinwirkung. Ein bedauerlicher Unfall. Doch Röwer hatte schon damals nicht daran geglaubt, denn sein Onkel trank keinen Wein, er sammelte die Flaschen nur. Er war passionierter Biertrinker. Aber für Mord gab es keinerlei Indizien.
Nach der Dusche ging Röwer in die Küche und kochte sich Kaffee. Während das Wasser durch die Maschine gluckerte, schweiften seine Gedanken erneut ab.
Er hatte sich die Zeitungsberichte von damals besorgt. Die Journalisten sprachen von mindestens sieben ähnlichen Fällen in den vergangenen 50 Jahren. Übereinstimmungen zeigten sich in der Todesursache, dem altertümlichen Gewand und dem Alter der Opfer. Aber warum war die gestrige Tote mitten in der Stadt gefunden worden? Ebenso wenig passte das Zeitschema. Es schienen immer sieben Jahre zwischen den Morden zu liegen, lediglich aus dem Jahr 1984 war keine Tote bekannt. Und der letzte Mord geschah vor einem Jahr. Was hatte die Täter dieses Mal zu dieser extremen Verkürzung bewegt? Fragen über Fragen - ohne Antworten.
Plötzlich vernahm Röwer ein Geräusch an der Wohnungstür. Es klopfte. Einen Moment verharrte der Kommissar überrascht, dann ging er in den Flur hinaus. Er hörte Schritte, jemand eilte die Treppe hinab. Rasch öffnete er die Tür. Doch die Person war bereits verschwunden. Dafür lag ein brauner Briefumschlag auf der Fußmatte. Skeptisch musterte Röwer das Kuvert. Es war flach mit einer winzigen Erhebung. Instinktiv nahm er ein Taschentuch, hob den Umschlag auf und eilte damit ins Wohnzimmer. Von hier hatte er einen guten Blick auf die Straße. Er sah noch einen Mann, der aus dem Haus gekommen sein musste, in ein Taxi steigen und davonfahren. War er die Person an seiner Tür gewesen? In der Küche öffnete Röwer schließlich den Umschlag. Er beinhaltete einen Schlüssel, der zu einem Bankschließfach zu gehören schien. Dabei lag ein zusammengefalteter Zettel.
Der Kommissar las die Nachricht: ‚Sehr geehrter Herr Röwer, verzeihen Sie, dass ich mich nicht zu erkennen gebe. Es ist sicherer für unser beider Leben. Mittlerweile dürften Sie die Brisanz des Falles erkannt haben. Wenn nicht, wird Ihnen der beiliegende Schlüssel wichtige Informationen liefern. Die genauen Daten der Bank finden Sie auf der Rückseite dieses Briefes. Sie sollten noch wissen, dass ich ein guter Freund Ihres Onkels war. Der Mord zeigt, mit welch skrupellosen Gegnern wir es zu tun haben. Die Akte, die Sie im Schließfach finden werden, hat er mir kurz vor seinem Tod zur Aufbewahrung anvertraut. Vielleicht ahnte er, dass er bald sterben würde. Ich bedauere die ganze Angelegenheit zutiefst. In der Hoffnung, dass Sie das Werk Ihres Onkels beenden werden, verbleibe ich mit den besten Wünschen für Sie. Ein Freund.‘
Röwer sank auf einen Stuhl. Also war sein Onkel doch ermordet worden! Aber was sollte der Kommissar jetzt tun? Den Fall neu aufrollen oder im Geheimen ermitteln? Die
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