Der Fluch des Andvari (German Edition)
Gewölbehalle.
Fröhlich öffnete Beate die schwere Glastür. „Und jetzt keine Hemmungen, Süße. Wenn dir ein Typ gefällt, dann gib mir einen Wink.“
„Okay“, entgegnete Hannah grinsend.
Erwartungsvoll betraten sie den hallenähnlichen Raum und wandten sich an die Platzanweiserin, die sie in Empfang nahm.
Abenddämmerung legte sich über die Münchener City. In den Straßen staute sich der Verkehr, Menschen strömten über die Gehwege, stiegen in die U-Bahn-Stationen hinab. Die Geschäfte schlossen allmählich ihre Türen.
Von all dem Trubel unberührt saß Steinhagen allein in seinem Büro, genoss einen Cognac und betrachtete dabei nochmals die Fotos, die er am Mittag von den beiden Männern erhalten hatte. Nur die Schreibtischlampe brannte. Ansonsten erfüllte Dämmerlicht den Raum. Die Untersuchungen am Binger Loch waren vielversprechend gewesen.
Steinhagen hatte den Startschuss für die Probebohrungen gegeben. Die Fakten hatten ihn überzeugt. Er wähnte sich kurz vor dem Ziel. Endlich - nach 20 Jahren. Der Druck, den er seit Wochen auf seinem Brustkorb verspürt hatte, wich. Dafür ergriff ihn nun gespannte Erwartung. Die nächsten Tage mussten die Entscheidung bringen. In vielerlei Hinsicht. Es ging nicht nur um seine eigene Zukunft! Holler war bereits wieder auf dem Weg nach Mainz. Steinhagen hatte ihn beauftragt, mit seinen Männern Kommissar Röwer zu observieren. Sie mussten herausfinden, wie viel er wusste und welche Gefahr er darstellte. Steinhagen vertraute Holler, der Mann war ihm loyal ergeben.
Sein Blick fiel auf die Tischuhr. Es war kurz nach sechs Uhr. Er musste Thor anrufen, den Meister des Ordens. Ohne Hast griff er nach dem Hörer und wählte die entsprechende Nummer. Das Freizeichen erklang.
„Ja“, meldete sich sein Gesprächspartner.
„Hier ist Loki.“
Sie verwendeten bei dieser Art von Telefonaten Decknamen aus der nordischen Mythologie.
„Sie sind sieben Minuten zu spät“, kam die barsche Antwort.
„Ich hatte noch ...“, versuchte Steinhagen zu trotzen.
Doch Thor unterbrach ihn: „Ihre Ausreden interessieren mich nicht, Loki. Ich erwarte Pünktlichkeit von jedem einzelnen von Ihnen. Ihre Leichtfertigkeit gefährdet unseren Orden.“
„Es wird sich nicht wiederholen“, log Steinhagen schadenfroh. Er genoss es, Thor auf diese Art zu provozieren.
„Das hoffe ich in Ihrem Interesse. Sie haben die Unterlagen der beiden Ingenieure gesehen?“
„Ja, Thor.“
„Welche Entscheidung haben Sie getroffen?“
„Die Probebohrungen beginnen morgen früh. Ich habe die beiden Ingenieure damit beauftragt.“
„Haben Sie die Männer eingeweiht?“
„Nein, sie glauben sich einem Römerschatz auf der Spur. Sollten sie Erfolg haben, werde ich sie kaufen ... oder sie werden sterben.“
„Gute Arbeit, Loki. Aber vergessen Sie nicht, Sie sind für das Projekt verantwortlich. Denken Sie daran und enttäuschen Sie den Orden nicht.“
„Sie können sich auf mich verlassen, Thor.“
Es war ein gewagtes Unternehmen, das sie am Binger Loch betrieben. Vor einem Jahr hatte der Bundesverkehrsminister persönlich den Startschuss für die Bauarbeiten gegeben, die in eine Brückenüberquerung über den Rhein münden sollten. So glaubten zumindest die Öffentlichkeit und die beteiligten Bauunternehmer. Niemand von ihnen war in die wahren Beweggründe eingeweiht. Und das sollte auch so bleiben. Steinhagen hatte dazu extra fünf Schwarze Engel in den Trupp eingeschleust, die jede Bewegung überwachten und die Arbeiter kontrollierten. Beim geringsten Verdachtsmoment hatten sie grünes Licht zum Handeln, was einen unglücklichen Unfall der betreffenden Person miteinschloss.
„Sie wissen, was ein Fehlschlag für uns bedeutet“, fügte Thor hinzu.
„Das ist mir bewusst.“
„Haben Sie mittlerweile herausgefunden, wer für den Eklat in Mainz verantwortlich ist?“
„Nein“, kam die knappe Antwort.
„Warum wurden meine Anweisungen nicht befolgt?“
„Die Schwarzen Engel hatten den Auftrag ...“
„Die Schwarzen Engel“, konterte Thor verärgert. „Sie tun das, was man ihnen sagt.“
„Was wollen Sie damit andeuten?“
„Jemand hat ihnen befohlen, die Tote im Park zu platzieren.“
„Das ist ein ungeheuerlicher Verdacht.“
„Es muss jemand aus dem Führungszirkel sein.“
„Sie meinen, es gibt einen Kollaborateur unter uns?“
„Genau das will ich damit sagen. Doch wer immer er ist, er ist bereits des Todes. Wir werden ihn aufspüren und eliminieren.
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