Der Fluch des Andvari (German Edition)
bis sie in einer Affäre ihres Mannes endete. Hannah hatte die Entscheidung gefordert, brach mit ihrem bisherigen Leben. Der konsequente Umzug nach Mainz hatte Mutter und Tochter von allen Freunden getrennt.
„Schau“, sagte Julia und wies auf den Glastisch vor dem Sofa.
Hannah sah das Schachbrett mit den großen Zinnfiguren, versuchte, sich von den traurigen Gedanken loszureißen. „Das ist ja klasse.“
Julia nahm eine der Figuren auf. „Das bist du, Mama.“
Hannah lachte. „So, so. Du siehst in mir also Galadriel, die geheimnisvolle Elbenkönigin.“
Die Figuren entstammten Tolkiens Sage vom ‚Herrn der Ringe‘. Ebenso wies das Schachbrett viele Motive von Schlachten und Stätten auf, wie sie aus der Kinoverfilmung bekannt waren.
„Und du, mein Schatz, wer bist du?“ Prüfend musterte sie die Figuren, bis sie die gesuchte Gestalt gefunden hatte. „Das bist du … Arwen, die bildhübsche Elbenprinzessin.“
„Und das ist mein Prinz.“
Julia hielt ihre eine weitere Figur entgegen. Sie stellte Aragorn dar, den rechtmäßigen König von Gondor. Als 14-jährige hatte Hannah die Geschichten um die Hobbits und den Kampf um Mittelerde das erste Mal verschlungen. Sie wusste nicht, wie oft sie die Bücher mittlerweile gelesen hatte.
„Spielen wir eine Partie?“, fragte Julia.
„Gerne. Aber erst, wenn du geduscht und umgezogen bist“, entgegnete sie mit ernstem Ton.
„Juppie“, freute sich Julia und eilte ins Badezimmer.
München-Schwabing. Villenviertel.
Steinhagen stand vor dem breiten Panoramafenster seines Salons und starrte in den Garten hinaus. Die Strahlen der tief stehenden Sonne brachen sich durch die hohen Nadelbäume, die das gesamte Areal umgaben. Seine Frau spielte mit den beiden Kindern auf der Wiese Ball. Sie war 15 Jahre jünger als er selbst, wenngleich er mit seinen 52 Jahren noch sportlich und fit war. Seit zehn Jahren waren sie verheiratet, aber die Liebe war nach der Geburt der Kinder schnell erkaltet. Inzwischen hatten sie eine klare Abmachung getroffen. Claudia Steinhagen kümmerte sich um die Erziehung der achtjährigen Zwillinge. Er war bestrebt, seinen Reichtum und seine Macht zu vermehren, vor allem seit er vor drei Jahren das Medienimperium übernommen hatte. Dafür garantierte er seiner Frau ein sorgenfreies Leben. Sie hatten getrennte Schlafzimmer, wo jeder ungestört dem eigenen Liebesleben nachgehen konnte. Nur weitere Kinder waren tabu.
Gedankenvoll wandte sich Steinhagen schließlich seinem Gast zu, der stumm im Sessel saß und seinen Whisky genoss. Der Mann war Anfang 60, Vorstandsvorsitzender eines weltweit tätigen Chemiekonzerns und ebenfalls Mitglied im Führungszirkel des Ordens. „Möchten Sie noch einen Drink, Herr Pöhlmann?“, fragte Steinhagen seinen Gast und ging zum Barschrank.
Alle Möbel im Zimmer bestanden aus feinstem Mahagoni-Holz. Die Decke war getäfelt, auf dem Parkettboden lagen kostbare handgeknüpfte Teppiche.
„Gern“, erwiderte der Mann.
Steinhagen nahm die Flasche mit zum Tisch. Dort bediente er seinen Gast und sich.
„Vielen Dank“, äußerte Pöhlmann.
„Sagen Sie, wie weit sind Ihre Gespräche mit der Pharmaindustrie? Haben die Herren unser Angebot akzeptiert?“
„Sie werden darauf eingehen, Herr Steinhagen. Mit meinen Werken können sie die Produktionskosten halbieren und die Gewinne verdoppeln. Ein äußerst lukratives Geschäft.“
„Sehr gut. Sie werden uns ihre Anteile verkaufen und dann nehmen wir sie aus.“
„So wird es sein. Wie läuft es bei Ihnen mit Jenning?“
„Jenning ist ein alter Narr“, erwiderte Steinhagen mürrisch. „Der Tod seines Sohnes war ihm noch nicht Warnung genug. Aber ich kriege ihn klein, keine Sorge. Spätestens in zwei Wochen hat er den Vertrag unterschrieben … oder es gibt einen weiteren Todesfall in seiner Familie zu beklagen“, lachte er.
Zufrieden prosteten die Männer einander zu.
„Und Ihr Informant bei der Polizei?“, fragte Pöhlmann. „Wann wollte er sich wieder melden?“
„Sobald er die entsprechenden Unterlagen gefunden hat“, antwortete Steinhagen und blickte erwartungsvoll zum Telefon, das auf einem Sekretär stand.
Der Orden hatte in jeder bedeutenden Behörde Spitzel: Männer und Frauen, die für Geld alles taten. Noch hatte Steinhagen keinen Menschen getroffen, der nicht käuflich war.
„Können Sie ihm trauen?“, fragte Pöhlmann.
„Absolut. Der Mann hat noch nie überzogene Forderungen gestellt und Sie kennen die Gehälter von
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