Der Fluch des Andvari (German Edition)
die Sache mit dem Einbrecher und dem Brief ließ sie nicht mehr los. Welche Bedeutung hatte sie für diese Satanisten? Der Kommissar konnte nicht ständig in ihrer Nähe sein, einem überraschenden Angriff wäre sie schutzlos ausgesetzt. Sie hatte nur eine Möglichkeit - sie musste Eigeninitiative ergreifen, selbst Nachforschungen anstellen. Doch wo sollte sie beginnen?
„Alles in Ordnung mit dir?“, vernahm sie Beates Worte. Sorge zeichnete ihr Gesicht hinter der großen Sonnenbrille.
Hannah sah ihre Freundin einen Moment an. „Mir geht es gut, Bea“, log sie.
„Das glaube ich dir nicht. Dafür kenne ich dich zu gut. Dich bedrückt doch etwas.“
Was sollte sie sagen? Sie wollte sie mit dieser Angelegenheit nicht belasten.
„Na, sag schon“, bohrte Beate wohlwollend. „Du vertraust mir doch, oder?“
„Natürlich. Es ist nur ...“
„Hat Steffen Hansen dich etwa rumgekriegt?“
Hannah musste grinsen. Ihre Freundin wusste von dem Techtelmechtel mit Hansen, wie sie es nannte. „Nein, es geht nicht um Männer.“
Beate blickte fragend.
„Es ist ... diese Tote“, antwortete sie langsam. „Sie geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.“
„Oh, Hanni.“ Fürsorglich legte Beate ihren Arm um sie, während sie weitergingen. „Das muss schrecklich gewesen sein. Aber du musst es vergessen.“
„Ja, Bea, du hast Recht.“
„Du hast eine Erfahrung gemacht, die man keinem Menschen wünscht. Aber unsere Welt ist nun mal nicht friedfertig.“
„Nein, das ist sie wirklich nicht.“
Hannah schaute kaum mehr Fernsehen, hörte nur ab und an Nachrichten im Radio oder las die Schlagzeilen, wenn sie an einem Zeitungskiosk vorbeiging. Fast jeden Tag gab es neue erschreckende Meldungen über blutige Anschläge, sei es in Afghanistan oder im Irak. Ob diese Menschen jemals erkennen würden, dass Gewalt kein Mittel der Politik war? Mit Blut würden sie ihre Ziele niemals erreichen. Beispiele in der Historie gab es genug. Nur Rechtschaffenheit und Mut führten zum Erfolg. So auch bei der Gruppe, die der Kommissar erwähnt hatte. Durch ihre brutalen Verbrechen ernteten sie nur Abscheu und Entsetzen.
„Ich bin immer für dich da, Hanni“, äußerte Beate. „Du kannst mit mir über alles reden.“
„Ich weiß, Bea“, entgegnete sie glücklich.
„Und jetzt Kopf hoch.“
Sie war Hannah in der Tat eine sehr liebe und treue Freundin geworden.
„Wollen wir dort?“, fragte Beate und deutete auf das Bistro Alex.
„Ja, gern.“
„Dann hinein.“
Die beiden Frauen drängten sich durch die Gäste am Eingang und suchten einen freien Tisch.
Auch heute hatte Holler die Beschattung von Hannah Jenning der des Kommissars vorgezogen. Geduldig hatte er vor dem Verlag ausgeharrt. Jetzt saß er drei Tische von den beiden Frauen entfernt und beobachtete sie. Die Brünette versuchte die Rothaarige aufzuheitern. Sie waren völlig in ihr Gespräch vertieft, so dass sie die Umgebung nicht wahrnahmen.
Holler musste sich zwingen, nicht ständig zu dem Rotschopf hinüber zu starren. Sie trug eine helle Bluse, die sich stramm über ihre festen Brüste spannte. Ein filigranes Goldkettchen legte sich um ihren schlanken Hals. Weiteren Schmuck trug sie keinen. Dafür trug Beate Wittek mehrere Ringe, goldene und einen mit einem Opal. Holler kannte die Brünette. Er hatte sie oft zusammen mit Hannah Jenning gesehen, manchmal auch mit deren Tochter. Sie schienen enge Freundinnen zu sein, zumindest wirkten sie sehr vertraut.
Beate Wittek besaß ein Reihenhaus in Bretzenheim, das sie allerdings allein bewohnte. Der Verlag musste guten Gewinn abwerfen, wenn sie sich solch eine Immobilie leisten konnte. Mehr Details kannte er nicht. Bislang hatte Beate Wittek nicht im Blickpunkt der Observierungen gestanden. Das hatte sich jedoch seit kurzem geändert. Es war auch für Holler erstaunlich, welch Beziehungsgeflecht sich da entwickelte. Aber es war an seinem Auftraggeber Steinhagen, weitere Maßnahmen anzuordnen.
Aufmerksam war Julia dem Unterricht in der Schule gefolgt. Sie hatte eine positive Einstellung zum Lernen, wenngleich sie den einen oder anderen Lehrer auf den Mond wünschte. Biologie und Geschichte machten ihr am meisten Spaß, doch auch in den typischen Jungenfächern, wie Mathematik und Physik, war sie gut, worum sie einige ihrer Freundinnen beneideten. Nur Deutsch mochte sie nicht, diese ständige Interpretation von Geschichten berühmter Dichter und Denker. Das war ihr zu antiquiert. Ein moderner Roman, das würde
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