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Der Fluch des Andvari (German Edition)

Der Fluch des Andvari (German Edition)

Titel: Der Fluch des Andvari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas W. Krüger
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den Unterricht beleben.
    In Gedanken an mystische Geschichten versunken, verließ Julia das Schulgebäude und ging zu den Fahrradständern. Dutzende von Kindern tummelten sich hier. Ihre fröhlichen Stimmen hallten umher. Julia hatte sich bereits von ihren Freundinnen verabschiedet, als sie die Kette aufschloss. Rasch packte sie ihren Rucksack in den Gepäckkorb.
    „Hallo, Julia“, rief plötzlich ein Mann.
    Im ersten Moment dachte sie, es wäre einer ihrer Lehrer. Als sie sich genervt umdrehte, verharrte sie überrascht. „Steffen?“
    Es war Hansen, ein Mitarbeiter ihres Großvaters. Ein hoch gewachsener Mann mit kurzem, dunklem Haar. Er trug einen hellen Armani-Anzug. Julia musste unwillkürlich grinsen, denn damit passte er nun überhaupt nicht auf diesen Schulhof.
    „Was machst du denn hier?“, fragte sie verwirrt.
    „Ich habe geschäftlich in Mainz zu tun, da dachte ich, ich schaue mal kurz vorbei“, antwortete er freundlich.
    Julia blieb auf Distanz. Sie kannte Hansen; er war scharf auf ihre Mutter. Aber Julia mochte ihn nicht, auch wenn er immer sehr nett ihr gegenüber war. Ihre Mutter empfand Zuneigung für ihn, sie telefonierten oft miteinander, er hatte sie über den Tod ihres Bruders getröstet. Doch ein Liebespaar waren sie nicht und das sollte auch so bleiben.
    „Aha“, entgegnete sie knapp.
    Hansen wusste viel über Julias Gewohnheiten, ihre Mutter sprach oft davon. Er hatte ihr sogar angeboten, Julia eine Internatsschule zu bezahlen, doch das hatte sie dankend abgelehnt. Julia hätte dem auch nie zugestimmt.
    „Du scheinst dich nicht sehr über meinen Besuch zu freuen“, stellte er betont traurig fest. „Dabei habe ich das passende Geschenk dabei.“
    In seiner Hand hielt er ein in buntes Papier eingepacktes Buch.
    Sie sah ihn spitzbübisch an. „Das ist für mich?“
    „Das ist für dich, Julia.“
    Charmant und zuvorkommend war er; alles, was ein Verführer brauchte. Dennoch konnte sich Julia nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass er eventuell ihr nächster Stiefvater sein sollte. Für einen Moment zögerte sie, doch dann nahm sie das Geschenk entgegen. Rasch riss sie das Papier weg. „Wow.“
    Es war der letzte Roman der verstorbenen Marion Zimmer Bradley - in Hardcover-Ausführung. Es beeindruckte Julia. So etwas würde ihr ihre Mutter niemals kaufen, obgleich sie nicht arm war. Doch sie war sparsam, wollte auf eigenen Füßen stehen und ihrer beider Leben selbst gestalten.
    „Gefällt es dir?“, fragte Hansen.
    „Ja.“ Sie blickte ihn strahlend an. „Danke, Steffen.“
    Ein wenig egoistisch war ihr Verhalten schon. Aber er hatte es ihr aus freien Stücken geschenkt. Julia musste an Jochen Röwer denken, den sympathischen Dichter. Er war völlig anders, ungezwungener, nicht so steif, und er wirkte stark. Er würde ihre Mutter und sie beschützen können.
    „Das freut mich zu hören.“
    Unsicher fragte sie: „Kommst du heute Abend bei uns vorbei?“
    „Nein. Ich muss zu einem Geschäftsessen nach Frankfurt. Wir sehen uns ja am Samstag auf der großen Feier. Richte deiner Mutter bitte einen lieben Gruß von mir aus.“
    „Das mach ich.“
    „Dann wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen, Julia. Es war schön, dich zu sehen.“
    Mit diesen Worten wandte er sich ab und verschwand im Getümmel.
    Ein wenig angetan war Julia schon über Hansens Erscheinen und das Geschenk. Oft war er in den vergangenen Monaten überraschend aufgetaucht. Er reiste viel herum. Vielleicht könnte sie sich doch mit ihm als Vater arrangieren - er wäre selten zu Hause. Aber sie dachte nicht weiter darüber nach, löste ihr Fahrrad von dem Metallständer und radelte los.

    Überstürzt hatte Hannah den Verlag verlassen. Immer wieder sah sie auf ihre Armbanduhr. Sie stand vor dem Westportal des Mainzer Doms und wartete auf den Kommissar. Er hatte sie vor einer halben Stunde angerufen und sehr aufgeregt geklungen. Es musste etwas Entscheidendes passiert sein. Am Telefon wollte er jedoch nicht darüber sprechen. Nervös blickte sich Hannah um, musterte die vorbeieilenden Passanten. Die beiden Männer, die sie beobachteten, bemerkte sie jedoch nicht.
    Endlich kam der Kommissar. Er trug einen schwarzen Aktenkoffer bei sich. „Hallo, Hannah. Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.“
    „Was ist passiert?“, fragte sie direkt. „Warum waren Sie am Telefon so kurz angebunden?“
    „Weil ich endlich weiß, was hinter all dem steckt.“
    Seine Worte ließen sie aufhorchen. „Was sagen Sie

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