Der Fluch des Andvari (German Edition)
für den Umschlag?“
„Genau. Wenn er dir gefällt, können wir ihn meinem Vater zeigen.“
Hannah sah sie noch immer leicht verwirrt an. „Okay, dann komm, Bea.“
Sie nahm die Kaffeetasse und ging ins Büro zurück. Beate hatte ihre Zeichenmappe bereits auf dem Tisch abgelegt, die sie sogleich öffnete.
„Jetzt bin ich gespannt, was dir zum Thema Nibelungen eingefallen ist“, witzelte Hannah.
„Du wirst begeistert sein, Hanni.“
Sie präsentierte ihr die Zeichnung und beide Frauen berieten darüber.
Am Vormittag war Röwer auf der Baustelle am Binger Loch gewesen. Seit über einem Jahr wurde dort gebaut. Viel bewegt hatte sich dennoch nicht. Der Kommissar könnte zum Bauamt gehen und sich Einblick in die Unterlagen verschaffen, doch das Risiko war zu hoch. Sicherlich würde Steinhagen sofort davon erfahren. Röwers Verdacht, dass die Baustelle nur Tarnung war, verstärkte sich. Steinhagen war am Morgen persönlich dort gewesen. Für über eine Stunde war er in einer kleinen Hütte verschwunden, vor der zwei Wachposten standen. Nach einem Treffen des Konsortiums hatte das nicht ausgesehen. Vielmehr nach einer verdeckten Operation. Hatte der Orden dort tatsächlich einen Hinweis auf den legendären Schatz gefunden? Röwers Verstand verneinte, doch Hannahs Aussagen ließen ihn zweifeln. Musste er sich von seinem wohl geordneten Weltbild verabschieden? Steckte wirklich eine mit Vernunft nicht fassbare Macht hinter all dem? Der Kommissar wusste nicht mehr, was er glauben sollte.
Auf dem Weg ins Büro beschäftigte ihn ein weiterer Gedanke: Hannah Jenning. Sie fühlte sich verletzt durch sein Verhalten. Aber was hatte er falsch gemacht? War sie eifersüchtig auf ihre Freundin? So war das Leben. Er sah keine Gründe, sich selbst Vorwürfe zu machen.
Im Büro angekommen, fiel Röwers Blick auf die leere Pinwand. Bis gestern hatten hier noch Tatortfotos und Skizzen vom Zitadellenmord gehangen. Jetzt war das BKA im Besitz aller Unterlagen. Nachdenklich ließ er sich in seinen Schreibtischstuhl sinken. Welche Fakten hatte er bislang zusammengetragen? Sieben tote Frauen. Mehrere Gemeinsamkeiten verbanden die Opfer. Alle waren sie 33 Jahre alt. Alle hatten sie eine Tochter im jugendlichen Alter. Alle waren sie allein stehend, doch es gab Hinweise, dass sie eine neue Beziehung eingegangen waren; vermutlich mit einer Frau. Der Zeitpunkt des Todes lag immer zwischen April und Juni. Alle waren sie auf dieselbe grausame Weise getötet worden. Es war ein Ritual - ohne Zweifel. Aber wo war der Zusammenhang? Das Dossier seines Onkels hatte ihm dabei nicht weitergeholfen. Er hatte sich nur mit den Morden und dem Orden befasst. Über die rituellen Hintergründe gab es kaum Informationen. Sein Onkel hatte zudem nie Namen in seinem Dossier notiert - bis auf einen: Karl-Ludwig Steinhagen, der Medienzar. Warum ausgerechnet er? War er der Anführer des Andvari-Ordens? War er für die Entführung und Ermordung der Frauen verantwortlich? Röwers Onkel hatte außerdem eine geheime Killertruppe erwähnt, die Schwarzen Engel, die die Opfer verschleppten und später in den Wäldern verscharrten.
All dies hatte Röwer Hannah Jenning bislang vorenthalten. Sie wusste von Steinhagen, und das war bereits gefährlich genug. Ihm war nicht wohl dabei, dass er die Frau mit in den Fall hineingezogen hatte. Er würde es lieber sehen, wenn er sie und ihre Tochter irgendwie aus der Schusslinie bringen könnte. Andererseits konnte Hannah Jenning ihm mit ihrem Wissen über die Mythologie helfen. Denn der Schlüssel für die Lösung des Falls lag irgendwo in der Vergangenheit verborgen.
Aber auch für Röwer selbst wurde die ganze Angelegenheit immer gefährlicher. Das BKA wusste von seinen Ermittlungen und damit auch die Verschwörer. Vielleicht hatten sie bereits sein Telefon angezapft oder sie ließen ihn beschatten. Der Kommissar musste vorsichtig taktieren, jeden Schritt genau überdenken. Darüber hinaus bestand die Gefahr, dass der Orden Hannah Jenning oder gar Beate als Druckmittel gegen ihn verwenden könnte. Beispiele in der Kriminalgeschichte gab es genug. Röwer wusste, dass er beide Frauen nicht länger im Unklaren lassen durfte; sie mussten sich der Gefahr bewusst sein. Der einzige Trumpf, der ihm blieb, war sein Freund beim BND. Der Mann hatte Kontakte zum Abhördienst und konnte Röwer vielleicht Telefonmitschnitte von Steinhagens Büro- und Privatanschluss übermitteln. Aber das würde noch einige Tage dauern.
Da klopfte es an
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