Der Fluch Des Bierzauberers
»Wir haben trotzdem einige wenige Male Branntwein getrunken. – War uns elend hinterher!« Er erzählte seinem Vater vom neuen Branntweinedikt des Preußenfürsten. »Das halte ich für besser als einen Bierzwang. Die Leute sollen trinken, was besser und billiger für sie ist. Und«, fuhr er fort, »der Bierzwang birgt auch ein böses Dilemma für den Bayernfürsten. Einerseits herrscht Bierzwang, andererseits hat der Herzog eigene Brennereien.« Mit einem Scherz schloss er ab. »Und um dem Herzog bei seinem Problem zu helfen, da trinken halt alle Bayern ab und zu heimlich einen Schluck Branntwein.«
3.
Den ersten braufreien Sommer in Weferlingen nutzte Knoll, wie auch schon in Bitburg, für Verbesserungen an der Brauerei. Er näherte sich dem fünfzigsten Lebensjahr, da wurden nicht nur die Haare grau, sondern sein Körper wollte nicht mehr so wie in früheren Tagen, besonders am Morgen nach dem Aufstehen. Manchmal fühlte er Stiche am Herzen, der Schweiß brach ihm aus ganz ohne Grund und er musste sich, da ihm auch die Luft zum Atmen fehlte, gleich wieder hinsetzen. Nach einer Weile ging es dann meist wieder. So überließ er die körperlich anstrengenden Arbeiten seinem Sohn, während er in der Stube saß und vor sich hintüftelte.
Als Erstes nahm er sich den Läuterbottich und den Pumpenmechanismus vor, der bald schneller und sauberer pumpte als alles, was beide Brauer jemals zuvor gesehen hatten. Auf diese Vorrichtung war Knoll besonders stolz. Zum einen, weil er sie sich für die Praxis ausgedacht hatte. Zum anderen, weil sie auf der Erfindung eines berühmten Magdeburger Landsmannes beruhte: Sein ehemaliger Kunde, der Ratsherr und derzeitige Magdeburger Bürgermeister Otto von Gericke hatte sich in den vergangenen Jahren nicht nur in der Politik versucht, sondern sich auch als genialer Naturwissenschaftler entpuppt und erst wenige Jahre zuvor die Kolbenpumpe erfunden. Bei seinem weltberühmten Versuch mit den Vakuumkugeln hatte er dann gezeigt, dass man damit sogar Luft pumpen konnte. Nachrichten davon waren bis nach Bitburg gelangt und Knoll hatte reichlich Zeit gehabt, über die Umsetzung von Gerickes Erfindung in die Praxis nachzugrübeln.
Wenn man Luft pumpen kann, warum nicht auch Bierwürze oder Bier?, hatte sich Knoll gefragt, nachdem er davon gehört hatte und zwei dieser Pumpen bestellt, von denen eine nun Würze beförderte und die andere fertig vergorenes Bier zum Füllen der Fässer. Ulrich verbrachte viel Zeit am Pumpenschwengel, diese Arbeit stellte, so mühsam sie war, dennoch eine große Erleichterung zur althergebrachten Methode dar. Beide Knolls überlegten, ob und wie sie Gerickes Erfindung noch verbessern konnten.
»Wir müssten die Kolben größer machen«, schlug Ulrich vor.
»Und vielleicht sogar zwei Kolben mit einem Schwengel verbinden«, stand Cord Heinrich seinem Sohn in nichts nach.
»Damit müsste man ja Unmengen von Bier pumpen können!« Ulrich war hellauf begeistert, obwohl diese Pumpe erst in ihren Gedanken existierte.
»Eine richtige Bierhebemaschine wäre das.« Auch Knoll Senior ließ sich von der Euphorie seines Sohnes anstecken. Wenn auch noch einige Zeit bis zur Realisierung der Bierhebemaschine vergehen sollte, die Idee dazu war geboren.
Weiterhin experimentierte er mit der Temperaturmessung. In Zeitungen, die auch nach Weferlingen regelmäßig ihren Weg fanden, las er von einer Erfindung von Galileo Galilei – Knoll erinnerte sich dunkel, den Namen in einem anderen Zusammenhang vor langer Zeit einmal gehört zu haben –: ein sogenanntes Thermometer, mit dem man die Wärme messen konnte. Knoll erstand einige holländische Wettergläser, die auf Galileis Erfindung basierten und sich in der christlichen Seefahrt bereits durchgesetzt hatten. Ob das auch beim Bierbrauen hilfreich sein könnte? Das Wetterglas funktionierte zwar in der Luft und leistete ihnen im Brauhaus gute Dienste, für Flüssigkeiten war es indes nicht geeignet.
»Da muss noch einer ein Glas erfinden, das in der kochenden Würze nicht zerspringt«, war Knolls zerknirschtes Resümee nach mehreren zersprungenen, teuren Wettergläsern. »Und ein Material einfüllen, dessen Volumenänderung sich besser nachmessen lässt.«
»Und eine Skalierung, die die Messungen vergleichbar macht«, brachte Ulrich auch das letzte Problem auf den Punkt. Es sollten weitere sechzig Jahre vergehen, bis ein in Danzig geborener Physiker namens Daniel Gabriel Fahrenheit genau diese Probleme löste,
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