Der Fluch Des Bierzauberers
1675 traf Knoll dort seinen Dienstherrn, der, für viele überraschend, wieder mit seinen Truppen vor Ort war. Prinz Friedrich ersuchte um baldige Audienz beim Kurfürsten, die auch gewährt wurde. So humpelten beide, der einbeinige Prinz und der knapp dreißig Jahre ältere, gramgebeugte Braumeister, in das Zelt des preußischen Machthabers. Ein seltsames Bild gaben sie ab. Der Kurfürst Friedrich Wilhelm trug einen einfachen, hellbraunen Soldatenrock, über den er eine große, rote Schärpe gebunden hatte. Schwarze Stiefel und ein ausladender, schwarzer Hut, unter dem bis auf die mächtige Nase und ein paar Locken der Allonge-Perücke beinahe das gesamte Gesicht verborgen war, ergänzten das militärische Auftreten des Kurfürsten.
Der schaute überrascht drein, hatte er doch ein Gespräch mit dem Prinzen von Homburg über dessen Rückkehr, oder zumindest über militärische Belange erwartet. Am allerwenigsten einen alten Braumeister. Sichtlich irritiert, auch etwas verärgert erhob er das Wort: »Schon wieder diese leidige Weferlinger Brauereigeschichte? Wer ist der alte Mann?«
Friedrich von Homburg erklärte kurz dessen Anliegen. Friedrich Wilhelm winkte ihn huldvoll heran. So stand Knoll vor dem Großen Kurfürsten. Seine grau gewordenen, dünnen Haare fielen in sein, durch die Sorgen der letzten Zeit noch ausgezehrter wirkendes Gesicht, in dem auch immer mehr Zähne fehlten. Mit einem Mal kam ihm die Erkenntnis, dass dieser Mensch ihn vernichten, dass er alle ihre Träume und Pläne in den Staub niederdrücken konnte. Sein Herz schlug laut, die Knie zitterten, und unwillkürlich lauschte er in die plötzlich eingetretene Stille.
Die wurde durchbrochen, als sich der Kurfürst räusperte. »Ich habe von ihm schon gehört. Aber es war nicht erfreulich, was ich vernommen habe. Er will mir also eine Lehre erteilen, wie ich meine Steuern festzusetzen habe? Und er ist der, der in der Öffentlichkeit mich und meine Politik desavouiert?«
Knoll blickte zuerst schuldbewusst zu Boden, hob dann aber den Kopf, als er mit lauter Stimme – einer Folge seiner zunehmenden Schwerhörigkeit – antwortete: »Nein, mein Fürst, ich bin nur des Prinzen Friedrich von Homburgs Bierbrauer und habe Angst um meine Existenz. Auch ich habe meine Ehre und, bei meiner Seele, damals in Magdeburg geschworen, dass ich nie wieder zulasse, dass meine Familie und meine Existenz bedroht werden. Dafür kämpfe ich bis zum letzten Blutstropfen.« Sein demütiger Ton nahm dem überlaut vorgetragenen Vorwurf die Schärfe. Während er sprach, blickte er in die Ferne, es schien, als peilte er einen sehr weit entfernten Punkt an, weit jenseits des Geschehens, so als fürchte er sich davor, sein Gegenüber direkt anzuschauen.
Der Preußenherrscher blickte auf, überlegte kurz und sagte: »Das sind große Worte, die er da spricht. Wenn es sich so verhält, dann soll ihm kein Haar gekrümmt und er in Freiheit alt werden. Der Brauerstand ist ein königlicher. Ich selbst wurde mit Biersuppe genährt, seit ich ein Kind war. Wäre er ein Weinbauer oder gar Kaffeehändler, seine Rede hätte ihm nichts genützt. Geh er nach Hause und braue weiter Bier für seinen Hessenprinz.«
Knoll war entlassen und der Kurfürst konnte sich wieder der anstehenden Schlacht gegen die Schweden widmen.
Der greise Braumeister dachte nun, die Steuer wäre der Brauerei erlassen und das Thema vom Tisch. Aber weit gefehlt. Der Kurfürst dachte gar nicht daran. Der Hessenprinz suchte, gleich nach Knolls Abreise nach Weferlingen, noch einmal das Gespräch mit dem Hohenzoller, aber der gichtgeplagte Kurfürst hatte andere Sorgen und verweigerte sich jedem Gespräch über die Biersteuer. Die Gedanken des Prinzen Friedrich von Homburg kreisten nur noch darum, wie er es seinem Landesherrn, dem Kurfürsten, heimzahlen konnte, während die Aussicht auf die kommenden Tage wie düstere Schatten sein Gemüt verdunkelten. Bitterlich bereute er bereits, dass er sich vom alten Oberhofmarschall hatte breitschlagen lassen, den Militärdienst nicht zu quittieren.
12.
Die schwedischen Truppen befanden sich, nachdem sie die Armee der Brandenburger gesichtet hatten, auf dem Rückzug und hatten sich mittlerweile in Havelberg, Rathenow und Brandenburg an der Havel festgesetzt.
Der Preußenfürst hatte noch am selben Tag, an dem das Treffen mit Knoll stattgefunden hatte, beschlossen, den genau in der Mitte liegenden Ort Rathenow anzugreifen, um die Schweden in zwei Teile zu
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