Der Fluch Des Bierzauberers
sie uns die Deppen zum Studium. Von den besten Studenten, aus München, Kelheim und Schwarzach, bekommen wir die Rebellen, die, die irgendwie Unfug getrieben haben und entweder degradiert wurden oder in Winzer wieder zur Räson gebracht werden sollen. Auf jeden Fall habe ich selten Konstanz beim Braugesinde.« Er piekste beide mit dem Finger in die Brust. »Also, ich will es mit euch versuchen. Geht rüber ins Amtmannhaus zum Wasmair«, er zeigte auf ein gegenüber dem Brauhaus stehendes Haus, »und macht den Papierkram. Und damit ihr’s gleich wisst: Ihr seid ab sofort Brauknechte des Herzogs und somit der herzoglichen Hofkammer unterstellt. Solange wir gutes Bier brauen und uns nichts zuschulden kommen lassen, ist alles bestens. Aber wehe, ihr baut Mist, dann werden weder ich noch der hohe Herr Bräugegenschreiber«, Hohn schlich sich in seine Stimme, »oder die Hofkammer Spaß verstehen. Und dem komischen Baron da oben im Schloss geht ihr am besten gleich aus dem Weg. Der mag mich nicht leiden, dann wird er euch auch nicht mögen.«
Sie fingen an zu arbeiten und bemerkten schnell, dass Schorsch zwar jeglicher körperlichen Arbeit abgeneigt, aber nichtsdestotrotz ein exzellenter Braumeister war, der sein Handwerk, besonders aber die Organisation des Brauhauses perfekt beherrschte. Zum ersten Mal erlebten sie einen richtig professionell geführten Braubetrieb. Hatten sie bislang in allen Brauhäusern fast alles, auch die Reparaturen, selbst machen müssen, gab es hier für beinah jeden Handgriff einen Spezialisten. Nicht nur das Malz wurde von einem eigens dafür angestellten, verbeamteten Malzbrechmüller geschrotet, nein, auch alles andere, außer dem Brauen selbst, war in fremden, aber fähigen Händen. War beschädigtes Geschirr auszubessern, rief man den Schäffler; war der Schubkarren fürs Malz defekt, den Wagner; Hanf und neue Seile kamen vom Seiler; es gab im Ort einen eigenen Kistenmacher, den Kistler; der Hafner kümmerte sich um die Öfen; der Brunnenmeister sah nach dem Brauwasser und der Wannenmacher baute schöne, große Treberwannen aus Holz. Dazu konnte man, je nach Bedarf, Zimmermann, Schlosser, Kupferschmied, Maurer, Pflasterer oder Steinmetzen rufen lassen.
Hier lag auch die Abneigung begründet, die den Bräuverwalter mit dem Bräugegenschreiber Wasmair verband. Der musste alle Anforderungen gegenzeichnen und war natürlich auf Kostenersparnis aus, während Schorsch in erster Linie einen reibungslosen Braubetrieb forcierte.
So spottete Edelweckh gern über seinen ihm zur Seite gestellten Beamten: »Nur weil der gnädige Herr vorher Mautgegenschreiber in Deggendorf war, hält er sich für von Gott berufen, alles und jedes auszuschreiben, zu überprüfen und zurückzustutzen.«
Das Einzige, was die beiden, Edelweckh und Wasmair, einigte, war die Liebe zum Bier und die Abneigung gegen den Baron.
Das Brauhaus bestand aus zwei Abteilungen. Im vorderen Teil, der durch sechs Säulen in zwei Flügel unterteilt war, stand an der Stirnseite der Ofen samt seinem Kamin, darauf die Braupfanne, daneben ein rechteckiger Maischekasten und davor das Kühlschiff. Der rückwärtige Teil war der Bierkeller, den ein großes Kreuzgratgewölbe beschirmte, und in dem sich die Gärbottiche und das Fasslager befanden. Mit dem Brauhaus konnte man im Jahr so um die zehntausend Hektoliter, also eine Million Liter Bier produzieren, die auch meist verkauft und aufgetrunken wurde.
Über dem Brauhaus lagen Tenne und Darre. Auch hier, bei der Malzherstellung, wurde anders gearbeitet als üblich. Nachdem Johann bei seiner ersten Schicht in Schuhen auf die Darre gegangen war, um das Malz zu wenden, fing er sich gleich mal den ersten Rüffel des Braumeisters ein.
»Kannst du nicht lesen? Ich denke, ihr seid gestandene Brauer?« Er deutete auf ein handgeschriebenes, bereits leicht verblasstes Schild, das an der Wand neben der Zugangstür zur Darre hing. Darauf stand: ›Damit das Korn auf der Darre nicht verbrennt, so soll derjenige, der das Korn beim Trocknen umwendet, barfuß oder auf Strümpfen gehen, damit er mit den Füßen empfindet, wie stark die Hitze ist.‹
Die neuen Brauknechte halfen ihrem Braumeister bei der Erstellung der Brauextrakte – dem Nachweis, wie viel Malz, Weizen, Hopfen, Geld und anderes verbraucht worden und noch vorrätig war. Sie verrichteten die harte Arbeit im Sudhaus und wuchteten die schweren Holzfässer zu entweder sechzig, einhundertzwanzig oder zweihundertvierzig Litern.
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