Der Fluch Des Bierzauberers
Das schöne Sudhaus erleichterte die harte Arbeit, während Herr Edelweckh in seinem Kontor saß, Tabellen füllte und sein reichlich zugeteiltes Deputat vernichtete. Als Bräuverwalter hatte er Anspruch auf täglich acht Köpfln Bier sowie zusätzlich zwei Liter Wein am Tag, während das Braugesinde die Hälfte davon für sich beanspruchen durfte. Beim Lohn war der Unterschied noch krasser. Während Edelweckh ein stolzes Gehalt von jährlich vierhundertachtzehn Gulden bezog, erhielten Ulrich und Johann mit hundert Gulden weniger als ein knappes Viertel davon. Aber auch das reichte gut zum Leben und sogar noch für einen Spargroschen. An die weiteren Privilegien des Braumeisters, zu denen Naturalien wie freies Feuerholz und ein zinsfreies Gemüsebeet im Schlossgarten gehörten, wagten sie gar nicht zu denken.
Nun, die große Menge an Deputat brauchte Zeit und Anstrengung, um weggetrunken zu werden. Und je mehr der Arbeitstag fortschritt und je mehr er dabei trank, desto gesprächiger zeigte sich der Bräuverwalter. So erfuhren sie alles, was es zu wissen gab, über die Geschichte des Brauhauses. Schorsch, der seit 1634 in Winzer arbeitete, erzählte von der großen Getreidekrise in den Jahren 1622 und 1623, als aufgrund der Inflation, welche die Wipper und Kipper verursacht hatten, der Getreidehandel zusammengebrochen war und der Herzog das Weißbierbrauen verboten hatte.
»War der Krieg denn auch sonst in Winzer gewesen?«, fragte Ulrich.
»Wir sind relativ glimpflich davon gekommen«, erklärte Edelweckh, »und seit dem letzten schwedischen Vorstoß im Winter 1640 ist für alle Brauhäuser nördlich der Donau die Kriegsgefahr gebannt.«
»Wie kam es eigentlich, dass der Herzog ein Monopol auf das Weißbier hat?«, fragte Johann.
»Das ist eine lange Geschichte«, begann Edelweckh, der sich dafür mit einem großen Krug Bier wappnete. »Es hatte immer zwei Familien gegeben, die ein herzogliches Privileg für das Weißbierbrauen besaßen: die Degenberger und die Schwarzenbergs. Unser Brauhaus hier gehörte früher den Schwarzenbergs. Die hatten um 1558 die am nördlichen Donauufer gelegene Herrschaft Winzer von den Puchbergs erworben. Ottheinrich von Schwarzenberg war Oberhofmeister am Münchener Hof und erhielt 1586 für sich und seine männlichen Nachkommen die Befugnis, hier in Winzer Weißbier zu brauen. Das war äußerst profitabel, die Brauerei brachte beinahe so viel Gewinn für die Schwarzenbergs wie die Zehntabgaben. Weißbier aus Winzer war sehr gefragt, auch wenn es nur zwischen Böhmerwald und der Donau verkauft werden durfte. Oft mussten die Fuhrwerke lange Zeit warten, bis sie ihr Bier bekamen, so begehrt war es.« Er nahm einen kräftigen Schluck aus dem Krug, dann fuhr er fort. »In der alten Braugenehmigung war nun erstaunlicherweise ein Passus über die Degenberger drin. Der besagte, dass, sollten die Degenberger aussterben, die Wittelsbacher selbst das Weißbierbrauen übernehmen würden. Und das stand auch schon so in einem über hundert Jahre alten Erbschaftsvertrag, den der alte Albrecht IV., ein schlauer Fuchs«, nickte er anerkennend, »ausgehandelt hatte. 1602 trat der Fall ein: Die Degenberger starben aus. Und der Herzog wollte plötzlich nicht nur die Degenberger, sondern auch die Schwarzenbergs beerben. Der Graf von Schwarzenberg konnte die alte Braugenehmigung nicht mehr vorweisen, da sie irgendwie in Vergessenheit geraten war, also zwang ihn Maximilian zum Verkauf. Aber das Geld brauchte der eh«, zwinkerte er mit den Augen, »so wie der die Herrschaft Winzer runtergewirtschaftet hatte. Und nahm es auch gern. Sogleich wurde die Brauerei auf Empfehlung des neuen Pflegers erweitert und umgezogen und vom Schloss hinausverlegt, hinunter vom Schlossberg in unser neues Gebäude hier.« Er machte eine weitgreifende Geste mit der Hand. »Da hatte die Plackerei endlich ein Ende, ständig das Wasser und die Gerste auf den Schlossberg hinaufzuschaffen. Wir haben dann noch ein neues Dach und eine neue Wasserführung bekommen. Und sobald die Wittelsbacher selbst Bier brauten, wurde halt die Konkurrenz erst mal ausgeschaltet. 1611 hat der Herzog ein Importverbot für ausländisches Bier verhängt. Demzufolge hat er mittlerweile fürs Weißbier das Monopol, das ihm kräftig Geld in seine Kassen spült.«
Die Qualität des Winzer Weißbiers konnten die neuen Brauer nur bestätigen. Sie entstand dadurch, dass in Winzer das Weißbier nach der Schwarzacher Rezeptur gebraut wurde, mit zwei
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