Der Fluch Des Bierzauberers
und die anschließende Odyssee hatte er zum Glück kaum noch, da war er einfach zu jung gewesen. Aber Hernandez’ demütigender Ausritt aus Bitburg und die anschließende schmachvolle Niederlage durch die Gässestrepper hatten sich als die ersten Ereignisse seines Lebens fest in sein Gedächtnis gebrannt.
Nur, wie sollten sie vorgehen? Beide beschlossen, erst einmal Zeit zu gewinnen. Wo hatte Hernandez seine Schwachpunkte? Da sie nicht vorhatten, ihn, den erfahrenen Kämpfer, zum Duell zu fordern, mussten sie trickreich vorgehen. Das Saufen war die Schwäche der meisten Soldaten und also einen Versuch wert.
»Hier Herr, trinkt! Es ist das beste Bier aus Eurem eigenen Brauhaus.«
Den ersten großen Humpen mit Braunbier schaute er misstrauisch an und äußerte großspurig, wobei er seinen spanischen Akzent noch betonte: »Gibt es hier keinen Porrón? Wie sonst soll ich Wein saufen?«
Emmeran überredete ihn, das Bier zu probieren.
Ein zweiter Humpen folgte. Ein dritter ebenso. Nach dem fünften Krug wurde er übermütig und rief: »Ich bin der Ritter vom Gewaltigen Humpen! Schenkt ein, schenkt ein!« Der Abend endete in einem prächtigen Zechgelage.
Dann hatte Ulrich eine Idee. »Nun weiß ich, wie wir ihm heimzahlen, was er uns in Bitburg angetan hat.«
Er sprach mit Emmeran und konnte diesen für seinen Vorschlag gewinnen, obwohl der nichts von Ulrichs Racheplänen ahnte. Sogleich bestellte er in dessen Auftrag – und mit dessen Geld oder, besser gesagt, mit dem Geld aus der Kasse des Brauhauses – bei einem Glasbläser einen riesengroßen Porrón, mit etwa fünf Litern Inhalt. Während sie auf dessen Fertigstellung warteten, hörten sie sich tagelang, Tag für Tag, von morgens bis abends, in der Schankstube Hernandez’ prahlerische Geschichten vom Krieg an. Geschichten über die Herkunft seiner zahlreichen Narben, der mitgebrachten Beute sowie weiteren unglaublichen, aber bereits versoffenen und verhurten Schätzen und reichlich Erzählungen, voll von aufgeblasenem Kriegsruhm. Wenn man ihm Glauben schenken sollte, dann müsste der Krieg längst vorbei sein und er, Hernandez, hätte ihn ganz allein gewonnen. Und ganz nebenbei auch noch jede Frau im Reich glücklich gemacht, ob sie nun willig war oder nicht. Auch von Bitburg erzählte er, ohne sich jedoch an den Namen der Stadt zu erinnern. Und nach seiner Version hatten sie die Geißen von der Stadtmauer geschossen, die Stadt erobert und geplündert und alle Frauen geschändet. »Ganz besonders die Eine, die hatte es meinem Leutnant angetan, dem Claus, einem guten Schweden, dem sie dann Monate später in der Rheinpfalz die Gedärme weggeschossen haben. Das war ein scharfes Weib, wie sie dastand, mit der Pfeife im Maul.«
Ulrich musste sich sehr zurückhalten, um seinem Brauherren nicht gleich einen Bierkrug über den Schädel zu ziehen. »Und was ist dann geschehen?«, fragte er, so harmlos er konnte und versuchte sogar, einen bewundernden Ton in seine Stimme zu legen.
»Na, nichts war, weg war sie. Hat sich wohl ein anderer bedient. Wir sind dann weitergezogen.«
Einige Tage später war der Porrón fertig. Ulrich und Johann bewunderten zuerst das gläserne Kunstwerk mit dem gewölbten Bauch und der spitz zulaufenden seitlichen Tülle, bevor sie in ihrer Kammer ein wenig mit dieser spanischen Art zu trinken übten. »Sonst blamieren wir uns ja und es klappt nicht recht.«
Hernandez war begeistert, als Ulrich ihm einige Tage später mit feierlicher Miene den Porrón auf den Tisch stellte, prallvoll mit dem besten Braunbier gefüllt. »Potzteufel, wo habt ihr den denn her? Das glaubt mir niemand, der’s nicht gesehen hat.« Bewundernd nickte er den Jungen zu. Und enttäuschte ihre Erwartungen nicht. »Na, dann mal los! Zeigt mir, dass ihr auch spanisch einschenken könnt.« Dann legte er seinen Kopf in den Nacken.
Ulrich stand neben dem Spanier, hob den Porrón über Hernandez’ Kopf und neigte ihn leicht. Das Braunbier schoss nun in einem dünnen Strahl aus der seitlichen Öffnung und, mit Übung und ein wenig Glück, traf er exakt in Hernandez’ weit geöffneten, durstigen Mund. Ulrich hielt den schweren Glasballon tapfer hoch. Zu den Regeln beim spanischen Trinken gehörte, zu schlucken, ohne den Mund zu schließen. Hernandez ließ sich bedienen und genoss die ihm vertraute Art des Trinkens. Minutenlang herrschte Schweigen in der Stube, alle Gäste sahen erstaunt, wie sich der Porrón langsam, aber stetig leerte. Als er halb
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