Der Fluch Des Bierzauberers
leer war, gab der Spanier das Zeichen zum Abbruch.
Er lachte ein berauschtes und begeistertes Lachen und klopfte Ulrich auf die Schulter. »So, jetzt machen wir es richtig! Die hohe Kunst des Porróntrinkens ist: Je größer die Entfernung, desto besser. Steig auf den Tisch!«
Ulrich kletterte umständlich auf den stabilen Holztisch, stellte sich breitbeinig vor Hernandez, der nun mehr auf der Bank lag als saß, und nahm erneut den Porrón in seine Hände. Aus größtmöglicher Höhe traf er bereits im zweiten Anlauf – der erste war auf das Wams seines Brauherren gegangen – genau in den gierigen Schlund des Spaniers. Und diesmal ließ Hernandez Ulrich so lange über sich stehen, bis der Behälter leer war. Tosender Applaus begleitete das Ende der Vorstellung. Ulrich sprang vom Tisch herunter. Dann fiel Hernandez bewusstlos von der Bank.
Sein Bewusstsein sollte er nicht wiedererlangen. Denn eine Stunde später war er tot.
4.
Zwei Tage danach waren sie unterwegs, am Donauufer flussabwärts, während ein rauer, eisiger Aprilwind ihnen die Kälte des Morgennebels in die Gesichter trieb.
»Das war eine feine Rache, Herr Bierzauberer«, spielte Johann spottend auf den Spitznamen von Ulrichs Vater an.
»Ja, das finde ich auch«, erwiderte Ulrich. »Es war ja abzusehen, dass niemand eine Leiche untersucht, wenn so ein Hund des Krieges sich einfach in seiner eigenen Schenke totsäuft. Und die Stadt ist froh, kann sie doch ein gutes Haus ohne rechtmäßigen Erben nach Recht und Gesetz konfiszieren. Vielleicht kommt der ›Nackende Bauch‹ jetzt wieder in gute Hände. In Hände, die ein gutes Bier zu schätzen wissen.«
»Eigentlich ist es nicht zu fassen, wie dieses Großmaul sich durch den Krieg gerettet hat.«
»Ja, erstaunlich. Ich glaube, jeder ungewaschene Fähnrich wäre mit ihm fertig geworden. Er hat sich jedoch anscheinend aufs Maulheldentum beschränkt und ist, wenn es ernst wurde, immer in zweiter Reihe geblieben.«
»Was hast du ihm eigentlich ins Bier gemischt?«, wollte Johann wissen. »Raus mit der Sprache. Der ist ja von der Bank gefallen wie vom Blitz getroffen. Das muss ja ein ganz besonderes Gift gewesen sein.«
»Mit Speck fängt man Mäuse«, lautete die etwas kryptische Antwort Ulrichs. »Deswegen haben wir ihn doch beim Saufen studiert. Und als ich gesehen haben wie der säuft, da habe ich mir gedacht: Gerade beim spanischen Trinken schmeckst du nichts mehr, da lässt du’s nur noch reinlaufen. Also musste ich nur die Dosis erhöhen.«
»Wie meinst du das? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
»Wie machst du ein Bier stärker, so stark, dass es dich umbringt, wenn du zu viel und zu schnell davon trinkst? Mit Schnaps natürlich.«
»Wie, du hast …«
»Ja«, schnitt Ulrich seinem Freund gleich das Wort ab. »Ich habe zwei Liter starken Branntwein mit drei Litern Braunbier vermischt. Und dann kam es genau so, wie ich es erhofft hatte. Da konnte er nämlich überhaupt nichts mehr schmecken. Und so auf die Schnelle zwei Liter Branntwein und dazu das Bier im Bauch, das überlebt niemand.«
»Unsere Väter werden sich wohl freuen.«
»Das hoffe ich. Ebenso, dass wir es ihnen eines Tages erzählen können.«
Zwischen Regensburg und Deggendorf stellten sie fest, dass der Weinhändler Gstöttner nicht übertrieben hatte. Dauernd liefen sie durch alte, nun abgestorbene Weingärten. Die einst abgefrorenen Reben standen noch immer da, unkrautüberwuchert und sahen aus wie versteinert.
»Da sollte man vielleicht Hopfen anpflanzen«, schlug Johann vor. »Es ist eine Schande, wie die Gärten verwildern.«
»Falls du es noch nicht gemerkt hast, das ganze Land verdirbt und verkommt«, ergänzte Ulrich.
Nächster Halt auf ihrer Reise war der Ort Winzer, ein kleiner, ruhiger Ort, schön am Nordufer der Donau, nur einige Kilometer unterhalb von Deggendorf und der Isarmündung gelegen. Dort gab es eines der ersehnten herzoglichen Weißbrauhäuser und, was noch besser war, hier wartete sogar Arbeit auf sie. Das kleine Schloss lag auf einem kleinen, aber dennoch eindrucksvollen Hügel, und war nur über einen steilen Weg zu erreichen. Zwei Türme, ein Wohnturm in der Mitte und ein Wachturm mit einem schönen Uhrwerk, verliehen dem Schloss sein wehrhaftes Aussehen. Ein einziger Wachsoldat in der Uniform der Armee des Bayernherzogs war zu sehen. Ulrich und Johann rechneten bereits mit der bekannt ruppigen Behandlung, für die das Militär hier bekannt war.
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