Der Fluch Des Bierzauberers
das Zeug hielt. Während dem Prinzen von Homburg lediglich zwei Pferde unter dem Hintern tot geschossen wurden, fielen zwei Offiziere sowie zwanzig seiner Reiter der Attacke zum Opfer.
Eben hatte er das dritte Pferd bestiegen und ritt erneut nach vorn. Zu spät sah er die Kugel kommen. Ein Aufschrei! Der Sechspfünder schlug ein und beraubte ihn erneut eines guten Pferdes. Wo aber war sein rechtes Bein? Abgerissen, abgeschossen, zerfetzt und nur an einer letzten Sehne baumelnd, hatte es sich unter dem Bauch des Pferdes verklemmt. Der Hessenprinz brüllte anfangs vor Schmerzen wie ein Ochse auf der Schlachtbank, wurde jedoch schnell schwächer, während das Blut pulsierend aus der riesigen, offenen Wunde unterhalb des Knies hervorspritzte. Seine Soldaten holten sogleich Hilfe herbei, derweil handelte Friedrich wie in Trance. Er nahm sein Messer und schnitt die Sehne, das letzte, das sein Bein noch mit dem Rest seines Körpers verband, kurzerhand durch. Dann fiel er in Ohnmacht. Unmittelbar danach eilte ein Adjutant herbei und flößte ihm einen Becher Schlagwasser ein.
Schlagwasser, auch ›Aqua apoplectica‹ genannt, war eine Mischung aus Wein und dem Tau von der Blüte des giftigen Maiglöckchens. Es war vor allem ein beliebtes Hausmittel gegen Kreislaufschwäche und Herzleiden. Das Wundermittel wirkte, der Blutfluss seiner Wunde wurde gestillt und der Ohnmächtige so rasch wie möglich ins Lager gebracht, wo er so behandelt wurde, wie es einem Offizier seiner Zeit gebührte: Die Ärzte standen geradezu Schlange, um sein Leben zu retten, während einfache Soldaten an den gleichen Wunden elend krepierten.
Nachdem die Lebensgefahr überstanden war, erschien der Schwedenkönig höchstpersönlich im Lager und lobte den Heldenmut des Prinzen. »Was immer er sich wünscht, ich werde es ihm gewähren!«, so lautete seine vollmundige Ankündigung. Ein neues Bein konnte indes auch der Nordische Alexander nicht herzaubern, so blieb es bei der Beförderung zum Generalmajor und einer jährlichen Pension von zweitausend Reichstalern, deren Bestätigung er in Stockholm in Empfang nahm.
Nun, mit knapp sechsundzwanzig Jahren, war für den Prinzen der Kriegsdienst zu Ende. Friedrich musterte sein Regiment ab und wollte seinen Ruhestand planen, da fiel er wieder einem dieser unglücklichen Zufälle zum Opfer. In die halb offene Kutsche, mit der er unterwegs nach Homburg war, drang bei voller Fahrt ein Ast hinein und blieb in seinem Beinstumpf stecken. Diese entzündete sich daraufhin so bösartig, dass der Prinz fürchtete, sein ganzes Bein zu verlieren. Ein gut beleumdeter Barbier stellte fest, das sich der kalte Brand bereits ausgebreitet hatte. Der Barbier behandelte die Gangrän, indem er einen mit Salben bestrichenen Verband um den Stumpf legte. Trotz großer Schmerzen ritt Friedrich von Homburg nach Hause.
Als er Tage später den Verband öffnete, fiel das tote Fleisch ab und die Wunde verheilte. Beim Homburger Hofhandwerker Berthold ließ er sich nun eine Prothese aus Holz drechseln. Damit war er wieder mobiler. Er reiste erneut nach Stockholm, von dort aus durch Dänemark nach Holland – sogar der Kriegsgegner Dänemark stellte ihm ohne Probleme einen Passierschein aus, da er ja nun Privatier war – und wieder zurück. Aus sicherer Distanz verfolgte er, wie zuerst der Schwedenkönig starb und kurz darauf der Nordische Krieg mit dem Friedensvertrag von Danzig beendet wurde. Dänemark war der Verlierer, Preußen ging als Gewinner aus dieser langjährigen Auseinandersetzung hervor. Mit dem Militär hatte der einbeinige Landgraf nichts mehr zu tun. Nun war es Zeit, sich um die holde Weiblichkeit zu kümmern.
5.
Margarethe Brahe war nicht nur reich, sie war steinreich. Vielfache Millionärin, verwitwet, dazu verwandt nicht nur mit vielen Adelsfamilien – wie den Wrangels und den Königsmarcks –, sondern sogar mit der schwedischen Krone, pflegte die Siebenundfünfzigjährige ein üppiges, müßiges Leben. Wie geschaffen für einen fast achtundzwanzig Jahre jüngeren, verkrüppelten Generalmajor.
Bei diversen Gesellschaften war sie aufmerksam geworden auf den jungen nassforschen Kriegsveteranen, der nun anscheinend seinen Kriegsruhm als Salonlöwe auszuschlachten pflegte. Einbeinig, aber ansonsten voller Elan und Charme, fiel es ihm leicht, die Stockholmer Gesellschaft für sich einzunehmen. So auch die reiche Witwe Brahe. Seine kokette Galanterie amüsierte sie; seine Eleganz und Weltläufigkeit
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