Der Fluch Des Bierzauberers
gekostet, das Achtfache seiner jährlichen Apanage aus dem Fürstentum Hessen-Homburg. Aber was scherte ihn das? Genauso wenig wie die hochgesteckten Erwartungen des Kurfürsten.
Der einbeinige Prinz war neunundzwanzig Jahre alt und nun Besitzer einer Brauerei. Einer Brauerei, mit der er in die Geschichte eingehen sollte.
Vierter Teil:
Der Fluch des Bierzauberers –
1651 bis 1676
1.
Es war ein düsterer Tag Mitte November, dick wie Watte umhüllte der herbstliche Nebel die Häuser. Ulrich war allein im Weferlinger Brauhaus. Seit beinahe zwei Monaten braute er nun das Bier für Einheimische und Durchreisende. Überwiegend mit Erfolg, wenn er das Lob zugrunde legte sowie die Mengen, die getrunken wurden. Sogar der Verwalter Anton war mehr als zufrieden. Auch, weil Ulrich sich brav an die althergebrachte Brauordnung hielt. Morgen würde er wieder sein Malz zur Mühle schicken. Dazu müsste er dies gleich heute Nachmittag dem Ziesemeister, dem obersten Beamten der Verbrauchssteuer, anzeigen. In einem kleinen Ort wie Weferlingen war der Verwalter gleichzeitig auch der Ziesemeister. Der würde ihm dann einen entsprechenden Zettel ausfüllen, der den hohen Herren zur Berechnung der Ziese vorgelegt werden musste. Er erhielt im Gegenzug dafür ein aus Blei gegossenes Ziesezeichen für ein halbes oder ganzes Gebräu. Das wären dann fünfzehn oder dreißig Scheffel Malz, je nachdem. Das Ziesezeichen bekam der Torwächter. Der stellte wiederum den Mahlschein für den Müller aus, das Ziesezeichen ging zurück zum Herrn. So einfach war das.
Torwächter und Müller waren vereidigte Amtspersonen, das hatte Ulrich auch anderswo schon kennengelernt. Konnte ihnen Unterschleif nachgewiesen werden, drohte ihnen eine heftige Leibstrafe. Zudem konnte der Rat Pferde, Wagen und Malz konfiszieren. Diese lückenlose Kontrolle hatte jedoch durchaus ihre Vorteile. Der Bierpreis zum Beispiel war genau vorgeschrieben und Wucher somit ausgeschlossen.
Trotz der perfekt eingespielten Mahlprozedur schimpfte Ulrich an diesem Novembertag vor sich hin, denn es zeichnete sich wieder einmal ab, dass er zwar ein Ziesezeichen vorweisen konnte, der entsprechende Gegenwert an gemahlenem Malz aber ausblieb. Er bezweifelte sogar, dass es noch für ein halbes Gebräu ausreichte, was er oben auf seiner Darre liegen hatte und morgen zur Mühle bringen wollte. Neue, frische Gerste war zwar bereits zugesagt, aber Anton äußerte sich lediglich sehr vage und legte sich nicht fest, wann diese denn eintreffen würde.
Mit dem Westfälischen Frieden hatte sich der Staat Brandenburg auch das Fürstentum Halberstadt mitsamt Bischof, zu dem auch das Amt Weferlingen gehörte, einverleibt. Der neue Landesherr, Kurfürst Friedrich Wilhelm, war am 3. April 1650 durch die Huldigung der Landesstände in Halberstadt ganz hochoffiziell genehmigt worden. Der private Besitzer des Amtes Weferlingen, General Königsmarck, zeigte sich nie, und so lag die bürokratische Leitung von Weferlingen in den Händen des Verwalters Anton. Darüber standen, beziehungsweise saßen dann gleich die Beamten Brandenburgs, die jedoch ganz andere Sorgen hatten, als sich mit den Besitztümern eines schwedischen Generals herumzuärgern.
Das größte Problem des Kurfürsten war, wie auch anderswo, das leidige Geld. Ein zerstörtes, bettelarmes Land war nicht so einfach in Besitz zu nehmen. Der tatkräftige, weitblickende Friedrich Wilhelm war sich des Dilemmas wohl bewusst, dass man in ein Land zuerst investieren musste, bevor man seinen Nutzen daraus ziehen konnte.
Soweit Beschlüsse und Maßnahmen des Kurfürsten Weferlingen erreichten, war Ulrich nicht so unglücklich mit der Politik seines obersten Landesherrn. Viele Beschlüsse zielten darauf ab, die Folgen des entsetzlichen Kriegs zu mildern und, neben der Linderung der größten wirtschaftlichen Not, auch die sittliche Moral wieder zu heben. Ulrich hatte, noch zusammen mit Johann Flügel in Winzer, das Elend eines Branntweinrauschs am eigenen Leib erfahren. Der Branntwein war es auch, den viele Menschen für die unglaubliche, unmenschliche Verrohung der Söldner im Krieg mit verantwortlich gemacht hatten. Also hatte der Kurfürst schnell gehandelt und ein ›Branntwein-Edikt‹ erlassen. Während bislang Trunkenheit stets als Entschuldigung und Entlastung selbst bei schwersten Vergehen hergehalten hatte, drehte das neue Edikt dies kurzerhand um. Nicht milder, sondern härter, teilweise sogar extrem rigoros, bis hin zum
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