Der Fluch des Blutes
als Zapata launig den Pokal hob und an die wie verdorrt aussehenden Lippen des Gefesselten drückte, wurde offenbar, daß er nicht völlig tot war.
Gierig riß er den Mund auf und schlürfte soviel, wie Zapata ihm gestattete.
»Sag ihr deinen Namen - ich erlaube es«, hörte Nona den Vampir befehlen.
Und krächzend gehorchte der lebende Tote im Käfig, die verstümmelte Gestalt in zerfledderter Soldatentracht: »Oberleutnant ... Pedro Grijalva ... mein Name ... Ich kam ... in Hernan Cortes' Auftrag . und dies ist meine . gerechte Strafe .«
*
»Unser Hoher Vater kam einst in Begleitung dieses Mannes und seiner Armee - aber er ließ nicht zu, daß unser Volk massakriert wurde, er stellte sich auf unsere Seite. Den Anführer der Fremden« - Zapata deutete auf die Gestalt in der hohlen Säule - »ließ er bei seinem Abschied zurück. Dieser Spanier war der erste, dessen Blut ich mir nach meiner Kelchtaufe munden ließ. Fortan war er mir hörig ...«
»Und die anderen - deine Geschwister - hatten nichts dagegen?«
Zapata verneinte. »Sie erkannten nicht, welch unerschöpflicher Quell von Geschichten und Informationen er war - sobald man gelernt hatte, ihn anzuzapfen.«
»Was meinst du damit?«
»Anfangs verstand ich seine Sprache so wenig wie er die meine -aber ich hatte Geduld. Ich sah nicht ein, warum ich sein Kauderwelsch lernen sollte, also lehrte ich ihn mit Hilfe meiner heranreifende Magie meine Sprache. Ich kann nicht sagen, daß er von rascher Auffassungsgabe war, aber wir hatten alle Zeit der Welt, und irgendwann .«
Er mußte nicht ausführlicher werden.
Nona wandte sich von dem Bild des Grauens ab. Sie war nicht leicht zu beeindrucken, hatte schon viele Greuel geschaut und selbst verursacht, aber in den Phasen ihres ungetrübten Menschseins, wenn der eigene dunkle Trieb sich in den hintersten Winkeln ihres Hirns verkroch, war sie nicht annähernd so hartgesotten, wie Zapata es bei einer engen Vertrauten seines Vaters vermuten mochte.
Sie hörte, wie Zapata die Tür der Säule hinter ihr wieder schloß und die Riegel einschnappen ließ.
»Was sagst du dazu?« fragte er.
Sie sagte zunächst gar nichts, setzte sich wieder auf den Diwan und trank ein paar durstige Züge aus dem Pokal, den sie dort zurückgelassen hatte und der - sie mußte sich irren - dabei nicht leerer zu werden schien.
Zapata trat zu ihr und setzte sich ganz nah neben sie. »Du hast noch gar nichts gegessen .«
»Danke«, wehrte sie ab. »Später vielleicht.«
»Ich hoffe, der Anblick ist dir nicht aufs Gemüt geschlagen. Ich hätte ihn ein wenig bemalen können, bevor ich ihn dir zeigte. Ein wenig Farbe wirkt oft Wunder. Aber ich wußte nicht .«
»Schon gut.« Sie nahm einen erneuten gierigen Schluck.
»Willst du mir jetzt ein wenig von draußen berichten?« Zapata stellte seinen Pokal ab, von dem er nicht mehr getrunken hatte, seit die Dienerkreatur ihn mit ihren schorfigen Lippen berührt hatte. Seine linke Hand legte sich auf Nonas Knie. Die Berührung war elektrisierend. Etwas, noch intensiver als die Wirkung des Getränks, durchströmte sie, und plötzlich fühlte sie sich leicht.
Federleicht.
Die Augen nicht mehr von seinen Augen lassend, hörte sie sich zu, wie sie Zapatas Wißbegier befriedigte - wie sie von einer Welt schwärmte, in der die gigantischen Entfernungen von früher - aus Pedro Grijalvas, Zapatas und ihren eigenen Ursprüngen - fast zu einem Nichts zusammengeschrumpft waren. Sie beschrieb die an Magie grenzenden Fortbewegungsmöglichkeiten und andere Errungenschaften der Neuzeit, betonte aber auch, daß dies alles nichts mit Magie zu tun hatte, sondern sich Technik nannte.
Zapata hatte anfänglich sichtliche Schwierigkeiten, dies zu verstehen - oder zu glauben. Dennoch hing er weiter an Nonas Lippen und ließ sich nicht das kleinste Detail ihrer Schilderungen entgehen.
Nona redete sich schier in einen Rausch. Ihr fiel nicht auf, wie sie der Realität mehr und mehr entrückte; wie sie sich immer leidenschaftlicher in ihren Schilderungen verlor.
Auch merkte sie kaum, daß Zapata mit fortschreitender Rede immer zutraulicher wurde, sie wie selbstverständlich streichelte und ihr Gesicht liebkoste.
Der Pokal, aus dem Nona immer wieder trank, leerte sich tatsächlich nicht. Aber dem maß sie im weiteren keinerlei Bedeutung mehr zu.
Irgendwann forderte Zapata sie auf, sich ihrer immer noch regenfeuchten Kleider zu entledigen. Er selbst machte es ihr vor.
Sie war beeindruckt von seinem klassisch
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