Der Fluch des Blutes
Schmerzen?«
»Ja!«
»Viele von uns mußten sie ertragen - die meisten. Aber sie werden ein Ende haben - sobald du das preisgegeben hast, was wir von dir wissen wollen.«
Zapata hatte das Gefühl, daß sich jemand zu ihm herabbeugte -sehen konnte er es nicht. Im nächsten Moment traf ihn ein Fausthieb gegen den Hals, und eine Stimme - nicht die Calots - zischte: »Ich mußte es auch aushalten! Damit du und die deinen mich nicht fanden! Es ging vorbei - aber ich hoffe und bete, daß du bis zum Ende leiden wirst!«
»Wer bist du?«
»Ich bin Tikal.«
In Zapatas Schädel schien eine Explosion stattzufinden - nicht ausreichend, um ihn zu töten, aber doch, um ihm endgültig klar zu machen, in welche unwirkliche Lage ihn sein Ausbruchversuch gebracht hatte.
Anfangs war er noch geneigt gewesen, all dies zu phantasieren -in einem Fieber, das vom Gewölbe auf ihn übergegangen war.
Doch nun .
»Tikal?«
»Ja. Du hast meine Schwester auf dem Gewissen! - Aber was rede ich: Gewissen ... «
»Genug«, ergriff wieder Calot das Wort. »Er kennt keine Reue. Laß es gut sein, Junge. Laß mich um ihn kümmern .«
Ein leiser Luftzug, der aber Zapatas flammende Qual durchdrang, verriet, daß die andere Gestalt gehorchte und sich zurückzog. Der Maya, den Zapata vor Tagen gejagt und dessen Spur er beim Wall verloren hatte.
»Du brauchst nicht darauf zu hoffen, daß die Tyrannen dich mit ihren dressierten Bestien hier aufspüren«, sagte Calot. »Du bist ganz allein - unter denen, die dich hassen. Das, was dir Schmerzen bereitet, ist die Säure, mit der wir deine Haut abgeschliffen haben - damit der >Geruch< des Walls von ihr verschwindet. - Und von unseren anderen Vorkehrungen habe ich bereits gesprochen.«
Zapata versuchte sich vorzustellen, was man ihm angetan hatte. Und zugleich versuchte er, die Selbstheilungskräfte seines Körpers zu aktivieren.
Normalerweise hätte es keine sonderliche Anstrengung bedeutet, die Folgen eines Säurebades zu beseitigen. Doch die Berührung des Walls schien ihm jede Fähigkeit geraubt zu haben, die auf Magie beruhte .
Er stöhnte - und schalt sich im selben Atemzug der Schwäche, die er damit offenbarte.
»Du kannst nicht Tikal sein«, preßte er durch die Zähne, von denen er wünschte, sie würden wachsen - wachsen! -, die ihre Dienste aber verweigerten wie alle Attribute, die der Kelch ihm einst geschenkt hatte.
Zapata hatte das Gefühl, unter dem Druck, der sich in seinem Schädel staute, zerplatzen zu müssen.
»Warum nicht?« fragte jener, der sich als Tikal vorgestellt hatte.
»Weil ich ihn nicht verloren hätte, wäre er weiter am Leben gewesen. Ich hätte sehen können, was er sah - und ihn gefunden, ganz egal, wo er sich in der Stadt verborgen hält!« Jemand lachte. Zapata wußte nicht sicher, ob es »Tikal« war. Und Calot sagte: »Wir wissen seit langem von euren Fähigkeiten. Ihr haltet euch für vollkommen, aber das seid ihr nicht. An Klugheit sind wir Sterblichen euch mindestens ebenbürtig ... Allmählich solltest du auch ahnen, warum du Tikals Augen nicht mehr nutzen kannst wie deine eigenen .« »Verrate es mir!« »Gern.«
Wieder ein Luftzug. Dann -
- drang etwas durch den Stoff, der Zapatas Augen bedeckte. Bohrte sich sengend in beide Augen, löschte deren Licht für immer und Zapatas Bewußtsein auf Zeit ...
*
Als er das nächste Mal erwachte, sah er seinen Hohen Vater auf sich zukommen und klammerte sich mit jeder Faser seines Seins an die Hoffnung, tatsächlich nur unter einem Fiebertraum gelitten zu haben - nie geblendet oder einem Verhör unterzogen worden zu sein Doch dann begriff er, daß der Kelchmeister nicht auf ihn zukam. Daß die fremde Sicht ihn durch Nonas Augen sehen ließ! Es war ihr Gemach, ihre Unterkunft, in die er sie schlafend gebracht hatte, bevor er selbst zum Wall aufgebrochen war!
Eine knöcherne Hand schien sich um Zapatas Kehle zu schließen -aber es war doch nur die eiserne Klammer, über deren Zweck ihn Calot unterrichtet hatte.
Calot, der nun sagte: »Fangen wir an. Du weißt nun, warum ihr uns nicht mehr zu sehen vermögt ... Wir sind blind, wie du es jetzt bist. Aber das hindert uns nicht, an die Zukunft zu glauben - die Zukunft der Kinder derer, die noch sehen können und eure Augen in sich tragen .«
Nach diesen Worten stellte Calot seine Fragen. Fragen, die nur eines bedeuten konnten: Gefahr!
Eine Gefahr, die im Geheimen gewachsen war und von der Zapata und seine Geschwister nie auch nur das Geringste geahnt
Weitere Kostenlose Bücher