Der Fluch des Denver Kristoff
fetten Freund jederzeit töten könnte?« Sie blies einen kurzen Windstoß auf die Schatulle und ließ den Deckel über dem Buch des Verderbens und Verlangens zurückklappen. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit den Geschwistern zu und legte ihre Flügel auf den Rücken.
Da standen sie nun: die Geschwister Walker und die Windfurie.
»Ich habe hier etwas«, sagte Dahlia Kristoff und blies ein Stück Papier über das Schiff in Brendans Hand, »und ich will, dass einer von euch das Buch aufschlägt und es zwischen die Seiten legt. Es ist nicht kompliziert. Ich habe meine Wünsche sehr einfach formuliert.«
Brendan las, was auf dem Zettel stand. Dahlia Kristoff soll auf ewig die Welt beherrschen.
»Einfach?«, lachte er. »Das könnte von einem dieser psychopathischen Schurken aus einem Avengers-Film stammen.«
»Stimmt«, sagte Eleanor, die über die Schulter ihres Bruders gespäht und mitgelesen hatte – sogar richtig! »Ganz schön viel Arbeit so eine Weltherrschaft! Wer will schon die ganze Verantwortung tragen?«
»Jemand wie sie«, sagte Cordelia, »der an Megalomanie leidet.«
»Was ist ein Manga-Lomie?«, fragte Eleanor.
»Megalomanie. Leute, die unter krankhaftem Größenwahn leiden«, erklärte Cordelia. »Wie Alexander der Große, Adolf Hitler …«
»Ruhe!«, bellte die Furie. »Wer von euch schlägt jetzt das Buch auf?«
Cordelia sah zu Brendan, Brendan zu Eleanor. Eleanor schüttelte den Kopf. Alle drei schüttelten den Kopf.
»Wenn sich kein Freiwilliger meldet, werde ich euch zwingen!«
Die Windfurie richtete ihre Arme auf sie. Cordelia wurde plötzlich hochgerissen, als hinge sie an Fäden wie eine Marionette, nur dass die Fäden aus Luft waren. Die Windfurie fuchtelte mit ihrem Arm … und sofort wurde Cordelia von einem mörderischen Windstoß erfasst und auf den Hauptmast der Muräne zugetrieben.
»Macht es auf!«, kreischte die Windfurie und ließ das Mädchen mit voller Wucht gegen den Mast krachen.
»Tu, was ich sage!« Wieder wurde Cordelia wie eine Puppe gegen den Mast geschleudert – sie schüttelte den Kopf. Vielleicht war ihr Kopf aber auch nur von einer Seite zur anderen gekippt.
»Aufhören!«, flehte Eleanor.
Die Windfurie ließ die Arme sinken. Cordelias schlaffer Körper rutschte am Mast herunter und blieb reglos auf den Holzplanken liegen.
»Sie …!« Mit einem wütenden Aufschrei stürzte Brendan sich auf die Windfurie. Ihm war vollkommen egal, was für magische Kräfte sie besaß, er würde sie umbringen.
Die Furie sah ihm lächelnd entgegen und schüttelte einmal kurz ihre Hände. Ein Fass am anderen Ende des Decks brach auseinander und die Einzelteile, gebogene Holzlatten und zwei Metallbänder, verwandelten sich in eine Art Windrad. Die Latten zerbrachen, richteten sich mit ihren gesplitterten Enden auf und schossen wie Speerspitzen auf Brendan zu. Brendan duckte sich, doch ein Splitter bohrte sich ihm in die Seite, genau dort, wo Slaynes Schwert ihn zuvor schon verletzt hatte.
Brendan schrie vor Schmerz auf und griff nach dem Stück Holz in der Wunde. Rundherum quoll Blut daraus hervor. Er wollte den Splitter herausreißen, doch die Furie hielt mit einem Windstrahl dagegen. Dicke Blutstropfen fielen aufs Deck und krochen in feinen Perlen über die Planken, als würden sie von einem Turbohandtrockner vor sich hergepustet.
Nachdem die Windfurie Brendan außer Gefecht gesetzt hatte, nahm sie sich Eleanor vor. »Jetzt zu dir, meine Kleine«, säuselte sie. »Ich hoffe doch, du bist klüger als deine großen Geschwister und bereit, das Richtige zu tun?«
»Lass dich nicht von ihr einschüchtern, Nell!«, schrie Brendan.
Eleanor schüttelte trotzig den Kopf.
»Na schön«, sagte die Windfurie, »du schuldest mir immer noch einen Finger.«
Eleanor kaute verzweifelt an ihrer Lippe und versuchte, tapfer zu sein.
Auf einmal verdunkelte sich über ihnen der Himmel.
Eine riesige Gewitterwolke zog über der Muräne auf. Dahlia Kristoff blickte überrascht zum Himmel. Silbern, blau und schwarz wie ein fliegender Klumpen Kohle ballte sich die Wolke über ihren Köpfen zusammen und breitete sich erst über das ganze Schiff, dann über die Bäume und den Fluss aus, bis vom blauen Himmel nichts mehr zu sehen war. Eine unheimliche Stille lastete über allem, wie die Ruhe vor dem Sturm, kurz bevor nach einem heißen Sommertag ein Gewitter losbricht und der Tag zur tiefsten Nacht wird.
Aus der Wolke ertönte plötzlich eine Stimme.
Eine tiefe, gurgelnde, mächtige
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