Der Fluch des Denver Kristoff
gemacht.
»Dass Sie hier nicht in Deutschland gelandet sind, sieht ja wohl ein Blinder«, sagte Brendan.
»Natürlich nicht, Amiens liegt in Frankreich.«
»Sie sind auch nicht in Frankreich! Hallo? Gibt es irgendwo in Frankreich solche Bäume?«
»Vielleicht bin ich in einem gallischen Jagdrevier.«
»Vielleicht sind Sie in einem speziellen Zustand, den man meines Wissens auch Verdrängung nennt.«
»Bren, hör endlich auf.«
»Obwohl ich sagen muss, dass du sehr nach Amerikaner klingst. Nur ein Yankee würde so einen jämmerlichen Versuch machen, witzig zu sein.«
Er steckte seine Waffe zurück ins Halfter und ließ sie stehen. Doch schon nach ein paar Schritten strauchelte er und griff nach seiner Schulter. Immer noch floss Blut aus seiner Wunde und klebte die Uniform auf seine Haut. Er versuchte, den abgebrochenen Pfeil herauszuziehen, doch die Schmerzen waren zu stark.
»Kommt schon!«, sagte Cordelia. »Wir müssen ihm helfen.«
»Nein, wir …«
»Bren, er ist verwundet. Außerdem hat er uns das Leben gerettet.«
Cordelia zerrte an dem Fangnetz, bis sie eine Öffnung gefunden hatte, durch die sie sich befreien konnten. Sie liefen (Brendan nur sehr widerstrebend) zu dem Piloten, der auf dem Boden kniete und gerade versuchte, mit einem abgerissenen Hosenaufschlag die Wunde abzubinden.
»Wie heißen Sie?«, fragte Cordelia.
»Draper. Oberleutnant der königlichen Luftwaffe Will Draper, Geschwader siebzig.«
»Ich bin Cordelia Walker.« Sie hielt ihm die Hand hin und fuhr hastig fort. »Das sind mein Bruder Brendan und meine Schwester Eleanor. Wir können Ihnen helfen, Mr …«
»Nennen Sie mich Will.« Will hauchte einen Kuss auf ihre Hand und ihm gelang trotz seiner Schmerzen ein gewinnendes Lächeln.
»Oh … oh ja, natürlich.« Sie zog ihre Hand zurück und starrte sie für einen kurzen Moment verwirrt an. »Unser Haus ist ganz in der Nähe. Können Sie gehen?«
Will stand auf, verlagerte sein Gewicht auf die unverletzte Seite und schwankte, als seine Knie nachgaben. Cordelia fing ihn auf.
»Danke«, murmelte er.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Villa Kristoff. Es war nicht schwer zu erraten, aus welcher Richtung sie gekommen waren – die Pferde hatten einen breiten Pfad ins Unterholz getrampelt. Brendan ging mürrisch voran, riss im Vorbeigehen die Spitzen von Farnwedeln ab und zerpflückte sie zu kleinen Schnipseln. Cordelia blieb bei Will und stützte ihn auf der linken Seite. Sie konnte seinen Geruch nach Rauch, Schweiß und Blut wahrnehmen und versuchte, ihm in allen Einzelheiten zu erklären, wer sie waren, aus welcher Zeit sie stammten und was sie hierhergebracht hatte. (Will wollte ihr kein Wort davon glauben.) Eleanor ging neben den beiden her, tippte ihre Schwester nach einiger Zeit mit einem dünnen Zweig an und formte mit den Lippen die Worte »Du magst ihn!«.
Nach wenigen Minuten tauchte die Villa Kristoff vor ihnen auf. Will blinzelte und rieb sich die Augen. »Kann es sein, dass die Pfeilspitze mit einer Droge getränkt war? Ich glaube, ich habe Halluzinationen.«
»Wir haben Ihnen doch erzählt, dass hier unser Haus steht«, sagte Eleanor.
»Aber wie ist es hierhergekommen? Von Waldwesen getragen?«
Cordelia seufzte. »Das habe ich Ihnen doch schon alles erklärt …«
»Es ist von San Francisco hierhergeflogen«, spottete Brendan.
»Hört auf mit dem Unsinn, ich lasse mich doch nicht zum Narren machen …«
»Aber wir machen uns nicht über Sie lustig«, sagte Cordelia. »Wir wissen nicht, wie es hierhergekommen ist, aber es ist unser Haus und da drinnen gibt es genug, womit wir Ihre Schulter verarzten können.«
Will runzelte die Stirn. »Es ist viel netter als mein Haus«, gab er schließlich zu, bevor er sich von den Walkers ins Haus führen ließ.
21
K urz darauf hatten sie Will in die Küche gebracht. Die Sonne stand jetzt tiefer, das Licht, das durch die Fenster hereinfiel, war nicht mehr hellgelb, sondern bernsteinfarben. Eleanor fand die Grillgabel wieder, die sie im Speisenaufzug vergessen hatte, und erklärte, sie werde einen Rundgang durchs Haus machen, um nachzusehen, ob es wirklich sicher war.
Cordelia hatte nichts dagegen, allerdings unter der Bedingung, dass Eleanor sofort laut nach ihnen rief, sobald sie etwas Merkwürdiges entdeckte.
Cordelia und Brendan halfen Will, sich auf den Küchentisch zu legen.
»Ich werde Ihnen etwas Eis holen, gegen die Schmerzen«, sagte Cordelia. Brendan folgte ihr zum Kühlschrank. »Was machst du da
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