Der Fluch des Florentiners
sehr oft in Granada. Wir haben viele ihrer Gespräche abgehört. Furcht erregend, sage ich Ihnen! Jilani Rezaigui hat viel e N amen, sehr viele. Diese Männer versuchen, fanatische junge Leute für Anschläge zu rekrutieren. Gleichzeitig sind sie damit beschäftigt, große Geldsummen aufzutreiben, ganz egal wie und wo. Wofür, darüber sind wir uns noch nicht ganz im Klaren. Wahrscheinlich haben diese beiden Raubüberfälle in Bayern und Florenz damit zu tun. Zumindest wissen wir aus den hier abgehörten Telefonaten und Gesprächen im Hotel Palmeraie, dass die beiden gestohlenen Diamanten hier in Marokko sind. Und wir wissen, dass da noch irgendetwas mit einem dritten Diamanten abläuft. Sagt Ihnen der Name › Florentiner ‹ etwas? «
Kriminalhauptkommissar Bernhard Kleimann atmete laut hörbar aus. Vieles von dem, was Oberst Semouri soeben gesagt hatte, stand seit einigen Tagen als Vermutung im Raum. Dennoch überraschte es ihn sehr, dass die Täter von Bayern und Florenz so dicht an islamischen Terroristengruppierungen angesiedelt waren.
» Was sind Ihre Pläne, Ihre Direktiven, Herr Oberst?«, fragte er unverblümt.
Der Marokkaner lächelte. »Sie werden verstehen, dass mein Land alles in seiner Macht Stehende tun wird, diese unheilvolle Konstellation von Terroristen und Räubern zu sprengen. Und Sie werden verstehen, dass wir dabei Mittel und Wege wählen, die in den demokratischen Staaten Europas nicht unbedingt auf Verständnis stoßen werden! Wir müssen verhindern, dass sich unser Land zu einem Sprungbrett für islamische Fundamentalisten entwickelt, die in Europa Anschläge verüben wollen! Marokko lebt maßgeblich vom Tourismus. Wir können kein zweites Madrid oder Casablanca gebrauchen. Bäume kann man fällen, aber sie wachsen nach. Also muss man sie samt Wurzeln vernichten. Das, lieber Kollege, ist unsere Direktiv e a us Rabat. Und wir werden uns strikt daran halten. Wir lösen dieses Problem. Mit unseren Mitteln. «
Selbstgefällig lächelte der DST-Beamte den deutschen Kriminalhauptkommissar an, wartete, bis dieser sein Büro verlassen hatte und wählte dann eine Telefonnummer in Marokkos Hauptstadt Rabat. Eine Männerstimme meldete sich. Der Geheimdienstmann sprach sehr leise.
» Wir haben ihn lokalisiert! Die Identität steht fest … ja, kein Zweifel an der Täterschaft … ja, absolut sicher … ja, zu Befehl! «
Wenige Minuten später erteilte Oberst Khalid Semouri über Funk einen Befehl an den Leiter der Antiterroreinheit, die seit zwei Tagen einen Renault-Kastenwagen am Stadtrand von Marrakesch observierte. Es war ein Mietwagen – angemietet von Carlo Frattini.
Am späten Nachmittag kehrte der Sarde zu seinem Fahrzeug zurück. Er trug das blaue Gewand der Tuareg. Kopf und Gesicht waren verhüllt. Als er den Schlüssel in die Fahrzeugtür stecken wollte, stellte er fest, dass die Tür bereits offen war. Verwundert schaute er auf und starrte beunruhigt zu den Fahrzeugen und Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinüber. Er konnte nichts Verdächtiges erkennen, aber intuitiv spürte er die Gefahr. Plötzlich hatte er das Gefühl, als geschehe irgendwo da draußen in den Häusern um ihn herum etwas, was in einem direkten Zusammenhang mit dem Mann zu tun hatte, der sein nächstes Opfer werden würde: Faisal Ben Ait Haddou, der Araber, der mit dem Ambulanzflugzeug aus der Schweiz nach Marrakesch geflohen war. Alles deutete darauf hin, dass er einer der führenden Köpfe der Anschläge war. Aber er war derzeit nicht in Marrakesch. Doch irgendwann würde er zurückkehren, und dann würd e e r ihn töten! Genau in diesem Augenblick hatte er jedoch das Gefühl, als sei dieser Faisal jetzt irgendwo hier in seiner Nähe. Eigentlich konnte das nicht sein. Langsam zog er den Autoschlüssel heraus und versuchte, sich langsam und unverdächtig umzudrehen.
Die Kugel eines marokkanischen Scharfschützen der DST -A ntiterroreinheit traf ihn genau in diesem Moment in die rechte Schläfe. Commissario Carlo Frattini aus Florenz war tot, bevor er in seinem blauen Tuareg-Gewand auf der Straße aufschlug.
*
Faisal Ben Ait Haddou alias Jilani Rezaigui alias Abdel Rahman war maßlos beeindruckt von dem prachtvollen Farbenmeer in den Bäumen vor und an den Fassaden des Rathauses von Wien. Tausende Papierlaternen in allen Farben hingen in den riesigen Bäumen des Parks. Alle Fenster und Erker waren festlich beleuchtet. Vom Eingang des Burgtheaters aus sah er hinüber zu den unzähligen
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