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Der Fluch des Florentiners

Der Fluch des Florentiners

Titel: Der Fluch des Florentiners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ackermann
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Holzbuden auf dem Platz vor dem Rathaus, das ihn, so hell erleuchtet, wie es jetzt im frühen Abendlicht gegen den rötlichen Abendhimmel erstrahlte, irgendwie an Big Ben in London erinnerte. Den hatte er zwar nur ein einziges Mal aus dem Flugzeug heraus beim Landeanflug auf London gesehen, als er Francis Roundell besuchte, aber die Ähnlichkeit schien ihm doch gegeben.
    Er sah Marie-Claire de Vries von der gegenüberliegenden Straßenseite auf ihn zukommen. Sie lächelte und sah in dem pelzbesetzten Mantel sehr verführerisch aus. » Quelle femme «, murmelte er vor sich hin und ging auf sie zu.
    » Bonsoir, Marie-Claire! Ich darf Sie doch mit dem Vornamen anreden, oder? «
    Marie-Claire war froh, dass es bereits ein wenig dunkel war, denn sie errötete leicht. Die Nähe dieses Mannes, seine Stimme und seine Ausstrahlung verwirrten sie. Um davon abzulenken, blickte sie auf das Lichtermeer und die Tannenbäume vor dem märchenhaft schön beleuchteten Rathaus. Auf einmal musste sie mit den Tränen kämpfen. Das romantische Ambiente des Weihnachtsmarktes, die unzähligen Lichter und Kerzen und die Gerüche aus den Würstchen-, Kastanien-, Lebkuchen- und Zuckerbäckerbuden erinnerten sie an glückliche Kindheitstage. Mit großen Augen beobachtete sie das weihnachtliche Treiben im Halbdunkel. Ein wunderbares Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie fühlte sich unendlich wohl. Die Nähe dieses Arabers löste auf eigentümliche Weise eine Flut von Erinnerungen bei ihr aus. Es waren schöne Erinnerungen aus den Zeiten, als sie glücklich und mutig durch Marokko, Tunesien, Syrien und Ägypten gereist war. Es waren die schönsten Jahre ihres Lebens gewesen – frei von jeglichen bourgeoisen Zwängen des Elternhauses. Frei von zeitlichen und materiellen Zwängen. Ja, damals war sie frei gewesen, hatte tun und lassen können, was sie wollte. Davon war in den letzten Jahren nicht viel übrig geblieben. Aber sie sehnte sich danach zurück. Und irgendwie spürte sie, dass dieser Abdel Rahman ihr ein bisschen von dieser Sehnsucht erfüllen konnte.
    » Kommen Sie, Abdel! Ich entführe Sie heute auf den christlichen Weihnachtsmarkt von Wien. Bald ist Weihnachten. Das Fest des Friedens – und der Liebe. «
    Der Abend wurde so romantisch, wie Marie-Claire es gehofft, aber auch befürchtet hatte. Was immer sie sich im Lauf e d es Tages an Strategien, Dialogen und Ablenkungsmanövern vorgenommen und zurechtgelegt hatte, erwies sich plötzlich als pure Illusion. Alles verlief ganz anders. Der Abend strömte dahin wie ein mächtiger Fluss, der zum Meer will und dabei keine Hindernisse akzeptiert. Sie war das Treibholz. Sie hatte sich vorgenommen, ihm mit perfiden Mitteln Geheimnisse über sein Interesse an dem Florentiner zu entlocken. Cool und berechnend hatte sie sein wollen, aber er lachte so unwiderstehlich herzlich, erfreute sich an Kleinigkeiten dieses Weihnachtsmarktes, dass sie sich schließlich schämte, solche Gedanken überhaupt gehabt zu haben. Abdel sprach überhaupt nicht über den Grund seines Aufenthaltes in Wien. Stattdessen lud er sie ein, mit ihm auf dem Kinderkarussel zu fahren.
    Den ganzen Abend über wurde sie von ihren Gefühlen und Gedanken drangsaliert. Ratio und Emotion führten in ihrem Inneren Krieg. Dieser Mann, so versuchte sie sich zur Räson zu rufen, ist vielleicht gefährlich! Vergiss nicht, dass er sich für den Florentiner interessiert. Wer weiß, wer ihm den Auftrag dazu gegeben hat. Vielleicht ist auch er nur Handlanger von Leuten, die unentdeckt bleiben wollen. So, wie es bei Gregor letztendlich auch der Fall war. Gregor handelte im Auftrag einflussreicher Leute. Wer hatte Abdel Rahman beauftragt zu versuchen, das Originalmanuskript dieses Buches zu kaufen? Wer war bereit, zweihunderttausend Euro für das Manuskript auszugeben? Und warum? Er hatte im Café ganz offensichtlich heimlich in dem Manuskript geblättert. Er will nichts von dir – er will nur den Florentiner! Dann erkannte sie, dass sie schon seit dem ersten Zusammentreffen mit ihm nur einen Gedanken hatte: Sie wollte ihn. Und was danach kam, war ihr vollkommen gleichgültig.
    Marie-Claire ließ sich fallen. Und Abdel fing sie auf. Wenn er lachte, sah sie in seinen tiefdunklen Augen die grenzenlose Weite und Freiheit der Wüste. Wenn er sie anschaute, tauchte sie ein in jene Nacht in der syrischen Wüste bei Palmyra, in der sie zwischen den römischen Ruinen eingeschlafen und erst gegen Mitternacht so unglaublich glücklich und frei und so

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