Der Fluch des Khan
Schicht- und Verwerfungsgrenzen gebrochen werden. Diese gebrochenen beziehungsweise zurückgeworfenen Wellen werden mit Geo- oder Hydrophonen in Seismogrammen ausgewertet, anhand derer sich per Computer der geologische Aufbau der Erdkruste darstellen lässt.«
»Klar. In der Meeresforschung benutzt man ein Luftgewehr zum Erzeugen von Schockwellen«, sagte Giordino.
»Von Wachter hat offenbar elektronische Mittel zur Erzeugung von Schallwellen entwickelt, sodass Sprengstoff überflüssig ist. Das akustische Gerät erzeugt, wenn ich das richtig verstanden habe, ein Schallbombardement im hohen Frequenzbereich, das sich in Form von seismischen Wellen im Boden fortpflanzt.«
»Wir haben aber bei der Erkundung mit Sonargeräten die Erfahrung gemacht, dass Hochfrequenzwellen nicht so weit eindringen, dass man im Tiefengestein etwas ›sehen‹ kann«, warf Giordino ein.
»Das stimmt. Die meisten Wellen werden nahe der Oberfläche gebrochen. Offenbar kann man mit von Wachters Gerät ein stärkeres und konzentrierteres Bombardement erzeugen, was wiederum dafür sorgt, dass ein großer Prozentsatz der Wellen tief eindringt. Den Angaben im Handbuch wie auch deiner Beschreibung des Gerätes nach zu schließen, verwendet von Wachter drei große Vorrichtungen zum Aussenden der Schallwellen.«
»Jede Wette, dass sie Dschingis auf diese Weise gefunden haben«, stellte Pitt fest. »Vermutlich war er zusammen mit Khubilai Khan und anderen verwandten Herrschern an einem geheimen Ort in den Bergen begraben.«
»Und offensichtlich verwenden sie es auch für die Suche nach Öl«, fügte Gunn hinzu.
»Eine wertvolle Technologie, für die Ölfirmen ein Vermögen hinlegen«, sagte Giordino. »Dr. von Wachter muss ein reicher Mann sein.«
»Leider ist er ein toter Mann. Er und eine Reihe deutscher Ingenieure kamen vor gut einem Jahr bei einem Erdrutsch in der Mongolei ums Leben.«
»Warum kommt mir das so verdächtig vor?«, fragte Giordino.
»Ich muss wohl nicht hinzufügen, dass sie seinerzeit für das Avarga Oil Consortium tätig waren«, sagte Yeager.
»Borjin hat also noch mehr Blut an den Händen«, stellte Pitt fest, ohne überrascht zu sein. Mittlerweile traute er Avarga Oil und seinem Leiter Tolgoi Borjin so gut wie jede Schandtat zu.
»Aber das passt alles nicht zusammen«, sagte Giordino. »Ein seismisches Erkundungsteam ermordet, ein weiteres entführt.
Eine Tunnelbohrmaschine, Spezialbohrgeräte, eine riesige getarnte Tankanlage mitten in der Wüste. Nach Aussage unseres Hirtenfreundes Tsengel nur eine von mehreren. Alle durch unterirdische Pipelines miteinander verbunden. Aber offensichtlich keinerlei Förderung. Warum also?«
Einen Moment lang kehrte Stille ein, während alle fieberhaft nachdachten. Dann blickte Pitt auf, als wäre ihm soeben eine Idee gekommen.
»Weil sie dort, wo das Öl ist, nicht bohren können«, sagte er.
»Borjin hat doch in der Mongolei vermutlich so viele Leute geschmiert, dass er überall bohren kann, wo er will«, konterte Giordino.
»Aber angenommen, das Öl befindet sich gar nicht in der Mongolei.«
»Natürlich«, sagte Gunn, der plötzlich begriff. »Er hat in China Öl gefunden, genauer gesagt, in der Inneren Mongolei.
Aber ich würde gern wissen, wie er die Chinesen dazu überredet hat, das Gebiet zurückzugeben.«
»Die sind übel dran«, sagte Yeager. »Durch die Erdbeben am Persischen Golf und den Brand an ihrem wichtigsten Ölhafen in der Nähe von Shanghai hat China über Nacht die Hälfte seiner Ölimporte verloren. Sie sind in einer verzweifelten Lage und dementsprechend auch zu irrationalem Verhalten fähig, wenn sie damit für rasche Abhilfe sorgen können.«
»Das würde auch die Tanks an der Grenze erklären. Vielleicht haben sie bereits heimlich Quellen in der Inneren Mongolei erschlossen, aus denen sie das Öl zum einen oder anderen Tanklager pumpen«, vermutete Pitt. »Die Chinesen bekommen lediglich mit, dass die Mongolei Öl ausführt, ohne zu wissen, dass es aus ihrem eigenen Hinterhof stammt.«
»Ich möchte nicht auf dieser Seite der Großen Mauer sein, wenn dieser Schwindel auffliegt«, sagte Gunn.
»Das könnte auch eine Erklärung dafür sein, weshalb Borjin das Explorationsteam am Baikal entführt hat«, sagte Giordino.
»Vermutlich brauchte er deren Fachkenntnisse, um festzustellen, wo er bohren muss, damit er möglichst rasch Öl fördern kann.«
»Meiner Ansicht nach hätte er sich die Fachleute auch auf dem freien Markt besorgen können«,
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