Der Fluch des Khan
Pendel durch das Wasser. Das dicke Plastikrohr kam auf ihn zu, schlug an sein Bein und schoss dann in die andere Richtung davon. Ohne Luftzufuhr, herumgezerrt wie eine Stoffpuppe und vom Airlift durchgeprügelt, sah sich Dirk einer Vielzahl von Gefahren ausgesetzt – eine Lage, in der viele Taucher in Panik verfallen wären. Und von da an wäre es nur noch ein kurzer Schritt zu einem nassen Tod gewesen.
Dirk geriet jedoch nicht in Panik. Er war seit seiner Kindheit ein leidenschaftlicher Taucher. Ein Ausfall der Geräte war für ihn nichts Neues. Bei Tauchgängen in seichten Gewässern hatte er die Pressluftflasche schon oft bis auf den letzten Atemzug geleert. In einem Notfall, ob unter Wasser oder sonstwo, sagte er sich, kommt es vor allem darauf an, die Ruhe zu bewahren und logisch zu denken.
Zuallererst brauchte er Luft. Im ersten Moment wollte er auftauchen, doch das war gar nicht notwendig. Auch wenn sie von oben mit Luft versorgt wurden, hatten alle Taucher eine kleine Pressluftflasche für den Notfall dabei. »Ponytank« wurde sie genannt, war kaum größer als eine Thermosflasche und enthielt für zehn Minuten Luft. Dirk hielt den Luftschlauch mit einer Hand fest, griff mit der anderen unter seinen linken Arm, wo der Ponytank an der Tarierweste befestigt war, drehte das oben liegende Ventil auf und holte durch den Lungenautomaten Luft. Nach zwei, drei tiefen Atemzügen spürte er, wie sich sein Herzschlag beruhigte.
Er dachte sofort an Dahlgren, der ja ebenfalls von oben mit Luft versorgt worden war. Knapp zehn Meter vor sich sah er einen Blasenstrom aus Dahlgrens Helm aufsteigen und wusste, dass auch er aus der Reserveflasche atmete. Aber der Airlift war Dahlgren gefährlich nahe gekommen und peitschte jetzt unmittelbar hinter ihm durchs Wasser. Das elastische Rohr, das zum Abluftstutzen auf dem Prahm führte, bog sich unter der Last des Wassers, spannte sich wie eine Feder und schnellte dann wie ein Schnipsgummi los. Dirk sah, wie er sich hinter Dahlgren bedrohlich spannte, und winkte seinem Freund zu. Doch der Texaner zog sich an seinem Luftschlauch hoch und sah weder den Airlift noch Dirks Warnzeichen. Im nächsten Augenblick peitschte das Rohr nach vorn, schoss zu Dirks Entsetzen wie ein Pfeil auf Dahlgren zu und traf ihn am Hinterkopf, unmittelbar unter dem Tauchhelm. Als er abprallte, erschlaffte Dahlgren.
Dirk verfluchte sich, als er spürte, dass sein Herz wieder schneller schlug. Er bemerkte, dass der Meeresboden abfiel und sie schneller durchs Wasser gezogen wurden. Oben war ein ablandiger Wind aufgekommen, der den plumpen Prahm gemeinsam mit dem Ebbstrom mit mehr als vier Knoten vor sich her schob. Unterdessen fragte sich Dirk, warum der verdammte Kahn abtrieb, und wo – zum Teufel noch mal – Summer steckte.
Dann wandte er sich Dahlgren zu. An ein Auftauchen war nicht zu denken. Erst musste er sich um Dahlgren kümmern und feststellen, ob er noch atmete.
Wild entschlossen hangelte er sich am Luftschlauch entlang.
Seine müden Arme schmerzten bei jedem Zug, zumal er auch noch den fünfzehn Kilo schweren Bleigurt umgeschnallt hatte.
Aber er wollte ihn noch nicht abwerfen, da er in der gleichen Tiefe wie sein Freund bleiben musste.
Wie ein Bergsteiger zog er sich auf drei Meter an Dahlgren heran, als ihm der wild gewordene Airlift erneut in die Quere kam. Das dicke Rohr schoss auf ihn zu und verpasste ihn nur um Armeslänge, peitschte nach Dahlgren aus, bog sich wieder durch und sprang zurück. Diesmal streckte Dirk den Arm aus und bekam es zu fassen, als es an ihm vorbeizischte. Um ein Haar hätte es ihm die Flossen von den Füßen gerissen, als er es mit den Beinen umklammerte und auf ihm durchs Wasser jagte, als ritte er einen bockenden Bronco. Vorsichtig zog er sich nach oben, wo das Rohr mit einem dicken Gummischlauch verbunden war, und zückte ein kleines Tauchermesser, das er ans Bein geschnallt hatte. Dirk stieß die Klinge in den Schlauch und säbelte mit aller Kraft drauflos, während das Rohr unter ihm auskeilte und um sich hieb. Bis es endlich nach einem letzten Schnitt abriss und in die Tiefe sank, worauf Dirk herabglitt und ihm zum Abschied einen Tritt versetzte.
Jetzt, da die wild gewordene Dampframme aus dem Weg war, wandte sich Dirk wieder Dahlgren zu. Da er beim Kampf mit dem Airlift den Luftschlauch loslassen musste, war er wieder fast zehn Meter von Dahlgren abgetrieben worden. Sein Freund, der von dem an seinem Nacken befestigten Schlauch durchs Wasser gezogen
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