Der Fluch des Khan
unterste Deck befand sich immer noch gut drei Meter über ihnen. Und da das Schiff von den Strahlrudern in Position gehalten wurde, hing auch keine Ankerkette ins Wasser, an der sie hätten emporklettern können.
Er konnte nur hoffen, dass möglicherweise am Heck ein festes Fallreep angebracht war – auf einem Arbeitsschiff nichts Ungewöhnliches.
Sie passierten den Bug und paddelten gerade leise nach achtern, als unter ihnen die dritte Detonation ertönte. Sie spürten das leichte Vibrieren des Schiffes und sahen, wie sich das Wasser etwas kräuselte, aber auch diesmal stieg keine der bei einer Unterwasserexplosion üblichen Gischtfontänen empor. Die Strahler rund um den Moon Pool tauchten die Unterseite des Schiffes in gleißendes Licht, sodass sie eine Reihe von Trossen sehen konnten, die zu dem Dreifuß hinabführten, der aufrecht am Meeresboden stand.
Sie schoben sich weiter an der Bordwand entlang, als Dirk plötzlich auffiel, dass das Gurgeln der Strahlruder verstummt war. Ehe er wusste, wie ihm geschah, stieß der Schiffsrumpf gegen den Katamaran und riss das Boot dann auf einer Welle mit sich. Das ganze Schiff drückte mit seiner vollen Breitseite gegen sie und wurde rasch schneller. Dirk, der auf dem hoch aufragenden Ausleger hockte, sah, dass der Katamaran umzukippen drohte. Das untere Surfbrett wurde immer tiefer ins Wasser gedrückt, sodass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Boot unter das seitwärts fahrende Schiff geriet.
»Runter mit dir«, rief Dirk Dahlgren zu.
Er wollte sich gerade selber herunterrollen, als er über seinem Kopf eine Leine bemerkte. Es war eine nicht belegte Vertäuleine, die über die Bordwand herabhing. Pitt stieß sich mit aller Kraft von dem kippenden Katamaran ab, sprang hoch und bekam das Tau gerade so mit der linken Hand zu fassen, zog sich herum und ergriff es mit beiden Händen, worauf es sich unter seinem Gewicht straffte, sodass es nur noch einen Meter über dem Wasser hing.
Er blickte zurück und sah, wie der Katamaran kenterte und unter das Schiff geriet. Dahlgren war weiter hinten, ritt auf einer sich auftürmenden Woge und schwamm wie ein Verrückter.
»Hierher. Ich habe eine Leine«, rief Dirk ihm mit gedämpfter Stimme zu. Er konnte nur hoffen, dass niemand auf sie aufmerksam wurde.
Immerhin war er so laut, dass Dahlgren ihn hörte. Mit kräftigen Kraulzügen kämpfte er sich zwar auf Dirk zu, doch beiden Männern war klar, dass er dieses Tempo nicht lange durchhalten konnte. Zumal das Wasser von der Bordwand des Schiffes aus nach allen Seiten strudelte und Dahlgren einmal hierhin, einmal dorthin riss. Als er endlich in Reichweite gespült wurde, streckte Dirk den Arm aus, bekam ihn am Tauchanzug zu fassen und packte mit aller Kraft zu. Er zog ihn so weit aus dem Wasser, dass Dahlgren einen Arm um die Leine schlingen konnte. Einen Moment lang hing er schlaff am Tau und rang nach Atem.
»Das war spannend«, keuchte er.
»Und außerdem das zweite Mal, dass ich dich heute aus dem Wasser fischen musste«, sagte Dirk. »Wenn das so weitergeht, bestehe ich darauf, dass du abnimmst.«
»Ich werd’s mir überlegen«, schnaufte Dahlgren.
Sie ruhten sich kurz aus, kletterten dann an dem Tau hinauf und traten auf das über ihnen liegende Deck. Zwar vernahmen sie gedämpfte Stimmen, die ihnen verrieten, dass ein paar Besatzungsmitglieder am Achterdeck waren, aber sie konnten sich an der Backbordwand doch unbemerkt aufstellen. Dirk warf einen kurzen Blick auf die hohe Lavawand, die in der Dunkelheit rasch näher kam. Im Ruderhaus stimmte irgendwas nicht, denn das Schiff war eindeutig auf Kollisionskurs, und niemand schien es zu bemerken.
»Los geht’s«, flüsterte er. »Ich habe das Gefühl, dass wir nicht lang auf diesem Schiff sein werden.«
Als sie vorrückten, ertönte in der Ferne ein weiteres tiefes Grollen. Diesmal kam das Getöse von der Küste.
In der NUMA-Zentrale, fünftausend Meilen entfernt, öffnete sich die Fahrstuhltür im zehnten Stock der NUMA-Zentrale, und Hiram Yeager tappte schläfrig mit einer Thermoskanne voller Sumatra-Kaffee in sein Computerreich. Er riss die Augen auf, als er Dr. McCammon mit besorgter Miene an der Konsole sitzen sah.
»Bist du mir etwa schon wieder zuvorgekommen, Phil?«, fragte Yeager.
»Tut mir leid, dass ich dich schon in aller Frühe stören muss.
Aber gerade ist was vom nationalen Erdbebencenter eingegangen, das wichtig zu sein scheint.«
Als Yeager auf einem Drehstuhl neben ihm Platz genommen
Weitere Kostenlose Bücher