Der Fluch des Koenigs
geschehen?
Wenig später erreichten sie die Tore zum Thronsaal. Noch nie hatte Aeshin gesehen, dass sie so scharf bewacht wurden. Zu jeder Seite der Doppeltüren waren fünf Aschejäger postiert worden, deren blanke Hellebarden im Fackellicht blitzten.
Auf einen Wink öffneten sich die Tore und Aeshin wurde hindurchgeführt. Es war, als tauchten sie in ein finsteres Gewässer ein. Die meisten Kerzen im Thronsaal waren erloschen, einzig in der Nähe des Throns flackerten sie wie ängstliche kleine Vögel, die verzweifelt versuchten sich in die Lüfte zu erheben, jedoch von unsichtbaren Ketten am Boden gehalten wurde. Auch Aeshin wäre bei dem Anblick der sich ihr bot gerne davongeflogen. Selbst der Aschejäger, der ihren Trupp anführte, geriet ins Stocken, bevor er sich überwand auf den Thron zuzuschreiten. Aeshin hielt unmerklich die Luft an.
Schatten empfingen sie zu allen Seiten, doch nicht solche, wie Licht sie erzeugte. Diese Schatten waren einst Menschen gewesen und ihnen nahe zu sein, bedeutete dem Tod nahe zu sein. An manchen Stellen waren sie so dicht, dass man glaubte auf einen schwarzen brodelnden Sumpf zu blicken, dann an anderen Stellen wiederum waberten sie träge wie düsterer Nebel, hingen gleich vergessenen Geisterfetzen im Saal.
Der Thronsaal war derart von ihnen durchdrungen, dass Aeshin fürchtete einen Schatten zu atmen. Rußschlieren streckten sich ihnen wie Krakenarme aus allen Richtungen entgegen. Die Aschejäger, die ihnen nicht ausweichen konnten, zuckten wie unter Schmerzen zusammen, wenn einer der schwarzen Tentakel über ihre Körper strich.
Die Aschejäger beeilten sich das Dunkel zu durchwaten, um vor die Thronplattform zu gelangen, wo die letzten verbliebenen Kerzen brannten. Aeshins Atem ging stoßweise, als sie ihn endlich erreicht hatten.
Caruss lungerte mit verträumtem Gesichtsausdruck auf dem Thron. Es überraschte Aeshin zu sehen, dass er eine blutrote mit Goldfäden und Perlen verzierte Robe über dem Nachthemd trug. Die Alchemisten drängten sich um ihn wie Geier um ein totes Stück Fleisch. Yhenn Vendaris war nicht unter ihnen. Überhaupt befand sich bis auf Garlach keiner sonst im Thronsaal.
Aeshin sank der Mut und für einen Moment drohten Angst und Hoffnungslosigkeit sie zu übermannen. Wo waren Balgar und Halhan? Wo war der Prinz? Sie hatte dem König wenig entgegenzusetzen, wenn er hier und jetzt sein Urteil über sie sprach.
Ihr Blick ging zu Garlach. Dargaros hagerer Stellvertreter ragte wie üblich neben dem Thron auf und betrachtete sie mit hochgezogener Braue und einem leicht gelangweilten Gesichtsausdruck. Caruss trommelte mit den Fingern auf die Thronlehnen, als die Aschejäger sich in einem Halbkreis um Aeshin herum postierten. Ihr Anführer ging auf die Knie und neigte sein Haupt. „Die Verbrecherin, mein König.“
Caruss Finger trommelten weiter auf die Thronlehnen.
Auf ein leichtes Nicken von Garlach packten die Aschejäger sie fester und schleuderten sie zu Boden. Aeshin konnte den Sturz nicht abfangen, da ihre Hände noch immer auf dem Rücken gebunden waren. Sie versuchte sich abzurollen, schlug jedoch hart mit der Schulter auf und schrammte mit der Wange über den schmutzigen Untergrund. Der Schmerz zuckte von ihrem Arm direkt zu ihren Rippen. Aeshin stöhnte leise und kämpfte sich zurück auf die Knie.
Caruss hatte eine Hand vor den Mund gepresst und kicherte. Rasch wandte Aeshin den Blick ab und starrte stattdessen auf den Boden. Etwas glänzte dort im Schein der wenigen Kerzen. Aeshin beugte sich vor. Blut!
Erschrocken sog sie die Luft ein. Das war nicht ihr Blut. Es musste Kämpfe im Thronsaal gegeben haben.
„Gefallen dir meine Schatten?“
Aeshin starrte weiter auf die Blutspritzer zwischen dem Wachs. Ein Tritt traf sie in die Seite. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien, doch der Schmerz drohte ihr die Sicht zu nehmen. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass der König mit ihr gesprochen hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen schaute sie auf.
Caruss sah sie gleichsam lauernd und erwartungsvoll an. „Wie gefallen sie dir?“
Aeshin schluckte die Schmerzen in ihrer Seite hinunter. Es mochte ihr Todesurteil sein, doch sie war es leid zu knien. Mühsam kämpfte sie sich auf die Beine und starrte Caruss an. „Sie sind verflucht“, stieß sie hervor.
Der König begann vor Freude zu strahlen. Der Wahnsinn glänzte in seinen Augen. „Ja“, hauchte er. „Das sind sie.“ Er breitete die Arme weit aus. „Sie sind
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