Der Fluch des Koenigs
so viel aus wie sie gedacht hatte. Vor ein paar Minuten hatten ihre Hände noch gezittert, aber nun waren sie ruhig. Moa beschloss, dass sie noch eine weitere Frage wagen konnte.
Sie schob sich eine Strähne hinter die Ohren. Ihr Haar musste sich während des Kampfes gelöst haben. „Was weißt du noch über die Aschewesen?“
Joesins Blick verdunkelte sich und mit einem Mal wirkte er wieder verschlossen und unnahbar. „Das willst du nicht wissen“, sagte er steif und stand auf.
Moa sprang auf die Füße und folgte ihm. „Doch“, rief sie, „doch ich will es wissen.“
Joesin blieb mit dem Rücken zu ihr stehen, sein Blick hob sich in den Nachthimmel. „Das sind keine Geschichten für eine Prinzessin.“
Moa stöhnte auf. „Sag es mir doch einfach“, verlangte sie. „Mein Onkel hat sein ganzes Leben versucht mich vor all dem zu beschützen. Und was ist dabei herausgekommen?“ Sie breitete die Arme aus. „Ich werde an meiner Verlobungsnacht von meiner eigenen Terrasse entführt. Vor den Augen seiner Wachen!“
Sie ging um Joesin herum und trat dicht vor ihn. Er hatte die Arme verschränkt, seine Schultern waren angespannt und in seinem Blick lag eine kalte Zurückweisung. Doch Moa wich nicht zurück.
„Das sind keine Märchen“, herrschte er sie an. „Keine Geschichten, die man kleinen Kindern erzählt, wenn sie nicht aufessen oder nicht gehorchen wollen.“ In seinen Augen brach sich das Sternenlicht wie auf kaltem Stahl. „Diese Geschichten sind wahr.“
Moa stemmte die Hände in die Seiten. „Ich will sie hören“, sagte sie fest.
Joesin drehte sich von ihr weg, bis sein Gesicht im Schatten lag. Die Dunkelheit schien sich um ihn zu sammeln wie ein schwarzer Mantel, der ihn von der Welt abschirmte. Instinktiv legte Moa ihre Hand auf seinen Arm.
Joesin zuckte unmerklich zusammen, wich jedoch nicht zurück. „Willst du diese Alpträume wirklich?“
Moa hatte das Gefühl als ob ihre Hand immer wärmer wurde. Nach einer Weile hielt sie es nicht mehr aus und zog sie zurück.
„Stimmt es, dass sie versklavte Dämonen sind?“
Joesin seufzte und sah sie beinahe mitleidig an. „Nein. Die Aschewesen waren einst Menschen.“
Moa starrte ihn ungläubig an. „Das glaube ich nicht.“
„Glaube“, sagte Joesin abfällig, „hat nichts damit zu tun. Die Männer, die für die Prozedur ausgewählt werden, sind sogenannte Verbrecher. Verräter an der Krone.“ Der Hohn in Joesins Stimme war fast greifbar. „Sie werden so lange gequält und gefoltert, bis nichts als eine verkrümmte, verstümmelte Hülle zurückbleibt. Alles Menschliche wird von Caruss Foltermeistern mit Zangen, glühendem Eisen, Messern und Fäusten aus ihren Opfern herausgetrieben, -gebrannt, -gerissen und -geschnitten. Bis nur noch ein Schatten von dem zurück bleibt, was sie zu Freude und Mitgefühl befähigte.“ Joesin brach ab und schaute in den Nachthimmel. „Du kannst dir ihre Schreie nicht vorstellen.“ Er atmete tief ein. „Sie wünschen sich den Tod herbei, alles, was ihren Qualen ein Ende setzt. Dann irgendwann, wenn ihre Kehlen zu wund zum Schreien sind und ihr heiserer Atem die letzte Menschlichkeit aushaucht, die in ihnen steckt, verändern sie sich und werden zu Aschewesen. Bei Nacht sind sie stark, stärker und schneller als ein Mensch es je sein könnte. Nur wenn die Sonne aufgeht, werden sie zu dem, was sie wirklich sind: lautlose Phantome, ohne Form und Körper.“ Joesins Hand fuhr durch die Luft als taste er nach einem Geisterhauch. Dann ballten seine Finger sich zur Faust. „Das ist Caruss Fluch.“
Moa lauschte mit wachsendem Grauen. Ihre Kehle war eng geworden und sie musste sich bemühen normal zu atmen. Ihr Blick fiel auf das Schilf, das schwarz und kraftlos am Boden lag. Es roch nach Tod und Fäulnis.
„Woher weißt du das alles?“, fragte sie ohne die Augen vom Schilf zu nehmen.
Einen Moment herrschte Stille und Moa glaubte schon, dass Joesin ihr nicht antworten würde. Da erklang seine Stimme plötzlich hinter ihr. Sie hatte nicht einmal gehört, wie er sich bewegt hatte.
„Es gibt Geheimnisse“, flüsterte er, „die sollte man mit ins Grab nehmen.“
Moas Hände begannen wieder zu zittern. Sie konnte hören wie Joesin sich hinter ihr bewegte und es kam ihr vor, als würde er dort lauern.
Doch dann streckte er seine Hand nach ihrem Haar aus und streifte es sanft aus ihrem Gesicht zurück in den Nacken.
Moa stand reglos da, während seine Hände geschickt durch die verworrenen
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