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Der Fluch des Koenigs

Der Fluch des Koenigs

Titel: Der Fluch des Koenigs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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der das Dorf lag, heraus. Sobald die Steinhäuser hinter ihm lagen, betrat er einen festgetretenen Pfad, der an aufragenden Felsen vorbei auf den höchsten Punkt der Klippen führte. Dichtes, kurzes Gras, Kräuter und Heidekraut wuchsen auf dem felsigen Untergrund und gaben dem schroffen, dunklen Stein eine weiche Decke.
    Als er das Ende des Pfades erreicht hatte, blieb Joesin stehen und atmete tief durch.
    Dieses Wiedersehen würde über sein zukünftiges Leben bestimmen, oder darüber, ob er überhaupt eines haben würde. Er fürchtete diese Begegnung mehr, als er sich eingestehen wollte.
    Die Wetterleserin stand hoch aufgerichtet am Rande der Klippen und schaute über die Wellen. Ihr rostbraunes Haar flatterte im Wind. Sie war in einen wind- und regenfesten Umhang gehüllt, in der Hand hielt sie den Korallenstab und zu ihren Füßen standen drei Signallampen mit unterschiedlich gefärbtem Glas.
    Jeden Tag stand sie am höchsten Punkt der Felsen und gab den Männern und Frauen auf See die Zeichen zum Aufbruch oder zur Umkehr. Sie beobachtete die Wellen und den Wind, lenkte die Fischerboote zu den Stellen, an denen sie einen guten Fang haben würden, und meldete ihnen, wenn Kimmlanwale in Sicht waren.
    Joesin Schritte wurden langsamer, als er sich ihr nährte, bis er schließlich stehenblieb. „Der Wind wird sich bald drehen.“
    Die Wetterleserin fuhr zu ihm herum. Ihre Augen wurden schreckensweit und sie machte eine rasche Bewegung mit der Hand, die Böses abwehren sollte. Wetter und Sorgen hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, aber ihre Augen strahlten noch immer in einem klaren Türkisblau. Der Hass und die Abscheu jedoch, die darin lagen, waren von einer Intensität, die Joesin mit körperlicher Gewalt traf. Er taumelte einen Schritt zurück.
    „Verschwinde, Verfluchter!“, rief die Wetterleserin und hob ihren Korallenstab.
    Die Worte, die Joesin hatte sprechen wollen, blieben ihm im Hals stecken. Er stand wie erstarrt, unbeweglich gegenüber seinem schlimmsten Alptraum.
    „Zurück mit dir“, schrie die ältere Frau wie von Sinnen. „Verschwinde Geist!“ Sie sprang nach vorne und schwang den Korallenstab nach ihm. Joesin duckte sich darunter hinweg und wich zur Seite aus. Sie setzte ihm nach und schlug erneut zu. Nur knapp entging er ihren Hieben.
    „Fort mit dir, Aschewesen!“, brüllte sie.
    Dem Korallenstab konnte er entgehen, doch die Worte trafen ihr Ziel. Joesin strauchelte und fiel auf die Knie. War es das, was sie vor sich sah? Eine seelenlose Kreatur aus Ruß und Rauch? Die Wetterleserin ragte vor ihm auf und hob den Stab über ihren Kopf, zum letzten Schlag bereit.
    „Geh zurück zu deinem Herrn, Caruss, aber lass uns in Frieden, totbringendes Geschöpf.“
    Das brach den Bann. Joesin sprang auf, packte den Korallenstab und riss ihn aus ihren Händen. „Ich bin kein Aschewesen!“, schrie er und schleuderte den Stab wutentbrannt zur Seite.
    Die Wetterleserin stolperte rückwärts.
    „Ich bin kein Aschewesen“, wiederholte er leiser, als er den Schrecken auf ihrem Gesicht las. Seine Schultern sanken herab und alle Kraft verließ ihn. „Ich bin kein Aschewesen. Ich bin dein Sohn.“
    Sie schüttelte wild den Kopf. „Mein Sohn ist tot. Seit über vier Jahren. Caruss hat ihn verflucht.“
    „Das hat er.“ Joesin nickte grimmig. „Aber sein Fluch war nicht stark genug. Ich bin ihm entkommen.“
    „Lügen! Nichts als Lügen.“ Sie schrie und wollte mit bloßen Händen auf ihn losgehen.
    Joesin sprang zur Seite und zog sein Schwert. „Lass es mich beweisen“, bat er und ritzte sich mit einer schnellen Bewegung in den Unterarm. Er spürte den Schmerz kaum. „Siehst du“, rief er und hielt ihr seinen blutenden Arm entgegen. „Ich blute. Ich atme. Ich weine. Bitte Pavae, du musst mich erkennen, sonst bin ich wahrlich verflucht.“
    Ihr Gesicht veränderte sich und ein Ausdruck trat in ihre Augen, als sehe sie ihn zum ersten Mal. „Das kann nicht sein“, flüsterte sie. „Wie ist das möglich?“
    Joesin sagte nichts. Er steckte das dunkle Schwert zurück in die Scheide und wartete mit klopfendem Herzen, hoffte, dass seine Mutter stark genug war ihm zu glauben.
    Ihre Hände sanken langsam herab. „Joesin?“
    Er nickte.
    Als habe sie eine innere Kette gesprengt, lief sie auf ihn zu und schloss ihn in ihre Arme. „Du bist zurück. Mein Sohn ist zurückgekehrt.“
    Er lehnte seinen Kopf auf ihre Schulter. „Pavae.“
    Und dann weinte er.
     
    „Es tut mir Leid“, sagte er

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