Der Fluch des Lono (German Edition)
dessen beschwörender Einspruch konnten den Manager davon abhalten, Ralph in die Arreststation eines öffentlichen Krankenhauses auf der anderen Seite der Insel einsperren zu lassen.
Eine üble Geschichte. Es war seine erste Reise in die Tropen, gleichsam die Erfüllung eines Lebenstraums … und jetzt sah es so aus, als werde er daran sterben oder
zumindest ewig ein Krüppel bleiben. Seine Familie sei mit den Nerven am Ende, erklärte er. Wahrscheinlich würde keiner von ihnen je nach England heimkehren, nicht einmal, um angemessen bestattet zu werden. Sie würden hier für nichts und wieder nichts verrecken wie die Hunde, auf einem Felseneiland inmitten eines völlig fremden Ozeans.
Der Regen peitschte gegen die Fenster, während wir uns unterhielten. Es gab nicht das geringste Anzeichen für ein Abflauen des Unwetters, das bereits seit vielen Tagen tobte. Das Wetter hier sei schlimmer als in Wales, klagte er, und wegen der Rückenschmerzen habe er stark zu trinken angefangen. Anna weine jedes Mal, wenn er mehr Whisky verlange. »Es ist furchtbar«, sagte er. »Gestern Abend habe ich eine Literflasche Glenfiddich leergemacht.«
Ralph ist bei Auslandseinsätzen stets trübsinnig. Ich untersuchte kurz seine Wunde und bestellte telefonisch im Souvenirshop des Hotels eine reife Aloe-Pflanze.
»Schicken Sie das Ding unverzüglich rauf«, instruierte ich die Frau. »Und wir brauchen auch was, um es kleinzuhacken – haben Sie vielleicht irgendwelche großen Messer? Oder ein Fleischerbeil?«
Sekundenlang kam keine Antwort. Dann hörte ich Rufe und Geräusche von Handgreiflichkeiten, und eine männliche Stimme kam in die Leitung. »Ja, Sir. Sie haben sich nach einer Waffe erkundigt?«
Ich spürte sofort, dass ich es mit einem Schacherer zu tun hatte. Seine Stimme klang samoanisch, ein tiefes
Krächzen, aber sein Geschäftssinn war definitiv schweizerisch.
»Was haben Sie anzubieten?«, fragte ich. »Ich brauche etwas, um eine Aloe-Pflanze kleinzukriegen.«
Es folgte eine Pause, dann war er wieder in der Leitung.
»Ich hätte da ein sehr schönes Besteck-Set, 77 Teile, dazu ein wunderbares Schlachtermesser.«
»So was kann ich mir auch vom Zimmerservice bringen lassen«, sagte ich. »Was haben Sie sonst noch anzubieten?«
Es entstand eine längere Pause. Im Hintergrund hörte ich eine Frauenstimme keifen. Es klang wie »der ist doch irre …« und »… wird uns noch die Köpfe abhacken«.
»Du bist gefeuert«, brüllte er. »Ich bin es leid, mir dein ewiges Gekeife anzuhören. Was die Leute kaufen wollen, hast du nicht zu beurteilen. Verschwinde einfach! Ich hätte dich schon längst rausschmeißen sollen!«
Erneut vernahm ich im Hintergrund Geräusche eines kurzen Handgemenges und ein Gewirr ärgerlicher Stimmen. Dann meldete er sich wieder.
»Ich denke, ich habe, was Sie suchen«, sagte er glattzüngig. »Es handelt sich um eine geschnitzte samoanische Kriegskeule. Massives Ebenholz mit acht Schlaghöckern. Damit können sie eine ganze Palme zu Brei schlagen.«
»Wie viel wiegt das Ding?«, erkundigte ich mich.
»Na ja …«, sagte er. »Also … ja, natürlich … könnten Sie einen Moment warten? Ich habe eine Briefwaage.«
Neuerliche Geräusche durchs Telefon, ein lautes Scheppern, dann wieder die Stimme.
»Sie ist sehr schwer, Sir. Meine Waage hält das nicht aus.« Er lachte glucksend. »Ja, Sir, das Ding ist echt schwer. Ich schätze, so um die fünf Kilo. Liegt in der Hand wie ein Vorschlaghammer. Gibt wohl nichts auf der Welt, was Sie mit dem Ding nicht totschlagen könnten.«
»Und der Preis?«, fragte ich.
»150.«
»150?«, sagte ich. »Für einen Stock?«
Eine Weile kam keine Antwort. »Nein, Sir«, sagte er schließlich. »Das Ding, das ich hier in der Hand halte, ist ganz bestimmt kein Stock . Es ist eine samoanische Kriegskeule, vielleicht 300 Jahre alt. Außerdem ist es eine äußerst brutale Waffe«, fügte er hinzu. »Ich könnte damit ohne weiteres Ihre Tür einschlagen.«
»Na prima«, sagte ich. »Schicken Sie die Keule umgehend in meine Suite, zusammen mit der Aloe-Pflanze.«
»Ja, Sir«, sagte er. »Und wie darf ich abrechnen?«
»Ganz, wie Sie wollen«, sagte ich. »Wir sind extrem reich. Geld spielt für uns keine Rolle.«
»Kein Problem«, sagte er. »Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.«
Ich legte auf und wandte mich Ralph zu, der gerade wieder von Schmerzen übermannt wurde und sich stumm auf dem glitschigen Gummilaken krümmte. »Es ist alles
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