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Der Fluch des Lono (German Edition)

Der Fluch des Lono (German Edition)

Titel: Der Fluch des Lono (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Laufs, aber unsere Anwesenheit schien die Leute nervös zu machen, daher verlegten wir uns darauf, die Recherche in der Ho Ho Lounge des Hilton zu betreiben. Wir unterhielten uns so viele Stunden mit so vielen Läufern, dass ich schließlich den Überblick verlor und die Leute nur noch zur Weißglut trieb.
    Es regnete Tag für Tag, aber wir lernten, damit zu leben … und am Vorabend des Laufs so gegen Mitternacht fühlten wir uns für den Rummel gerüstet.

DIE ZUM SCHEITERN VERURTEILTE GENERATION

    Irgendwann gegen vier Uhr morgens trafen wir am Startplatz ein  – zwei Stunden vor Beginn des Laufs. Aber bereits jetzt ging es dort zu wie im Irrenhaus. Die Hälfte der Läufer war offenbar die ganze Nacht aufgeblieben, außerstande, zu schlafen, und zu aufgedreht, um zu reden. Die Luft war gesättigt vom Gestank nach menschlichen Exkrementen und Vaseline. Um fünf warteten die Langstreckenläufer bereits in langen Schlangen vor der Phalanx chemischer Toiletten, die Doc Scaff und seine Leute hatten aufstellen lassen. Durchfall kurz vor dem Rennen gehört zum Alptraumstandard aller Marathonläufe, und in Honolulu war es nicht anders. Es gibt eine Menge guter Gründe, aus einem Rennen auszusteigen, aber Verdauungsbeschwerden gehören nicht dazu. Es gilt, von der Startlinie mit einem Bauch voll Bier und sonstigem billigen Kraftfutter wegzukommen, das sehr schnell verbrennt …
    Kraft durch Kohlenhydrate. Kein Fleisch. Für diese Leute verbrennt Eiweiß nicht schnell genug. Sie wollen Stärke. Ihre Mägen rotieren im Schnellgang, und in ihren Köpfen geistert die Furcht.
    Werden sie bis zum Ziel durchhalten? Das ist die zentrale Frage. Die meisten wollen einfach nur das »Finisher«-T-Shirt. Ans Gewinnen ist für kaum jemanden zu denken außer einer stillen Handvoll: Frank Shorter, Dean Matthews, Duncan MacDonald, Jon Sinclair … Das waren diejenigen mit den niedrigen Nummern auf den Hemden: 4, 11, 16. Sie würden als Erste starten.
    Die anderen, die Läufer   – Menschen, die vierstellig nummeriert waren  –, standen aufgereiht hinter den Rennern und würden eine ganze Weile warten müssen, bis sie loslaufen konnten. Carl Hatfield wäre schon auf halbem Weg nach Diamond Head, bevor die Leute mit den hohen Nummern ihre Vaselineflaschen wegwerfen und sich endlich in Bewegung setzen würden; und sie wussten bereits jetzt, dass nicht einer von ihnen den Sieger zu Gesicht bekommen würde, bevor der Lauf vorüber war. Vielleicht schafften sie es mit etwas Glück, beim Bankett ein Autogramm zu ergattern …
    Wir sprechen hier von zwei klar zu unterscheidenden Gruppen, von zwei völlig verschiedenen Marathonläufen. Die Renner würden alle bis spätestens 9 Uhr 30 morgens den Lauf hinter sich haben und bereits angetrunken sein. Zu ungefähr derselben Zeit würden sich die Läufer mit wackligen Knien an Wilburs Haus am Fuß des »Heartbreak Hill« vorbeischleppen.
     
     
    Um 5 Uhr 55 sprangen wir auf die Heckklappe von Don Kardongs KKUA-Radio-Übertragungswagen, ergatterten so die besten Plätze und fuhren im zweiten Gang mit so ziemlich genau 11,5 Meilen pro Stunde dem Läuferfeld
voraus. Geplant war, uns an Wilburs Haus abzusetzen und auf dem Rückweg wieder einzusammeln.
    Irgendein Irrer mit einer vierstelligen Nummer auf der Brust preschte von der Startlinie los wie eine Hyäne auf Speed und hätte beinahe unseren Radiowagen und die zwei Dutzend Cops auf Motorrädern eingeholt, die uns eskortierten … aber es ging ihm rasch die Puste aus.
    Bei Wilbur sprangen wir aus dem Wagen und improvisierten unverzüglich am Bordstein eine Bar mit Kommandozentrale. Während der nächsten Minuten standen wir im Regen und bombardierten die auftauchenden Läufer mit allen erdenklichen Kraftausdrücken und Schmähungen.
    »Du bist doch jetzt schon im Eimer, Mann, du schaffst es nie.«
    »Hey, Fettsack, willst du ’n Bier?«
    »Lauf, du Lahmarsch.«
    »Nimm die Beine in die Hand.«
    »Friss Scheiße und krepier«, war Skinners Lieblingsspruch.
    Ein stämmiger Läufer in der vorderen Reihe schnaubte zurück: »Dich seh ich auf dem Rückweg.«
    »Niemals. Du kommst nämlich gar nicht zurück. Du schaffst es nicht mal bis zum Ziel! Du brichst demnächst zusammen.«
    Nur selten hat man die Gelegenheit, jemandem die unmenschlichsten und brutalsten Beleidigungen, die einem in den Sinn kommen, ungestraft an den Kopf zu werfen; doch hier konnte man sich darauf verlassen, dass keiner der Beschimpften stehen bleiben und einen Streit

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