Der Fluch des Lono (German Edition)
Herzen können sie ihn nicht leiden: Für diese Menschen ist Jesus zu verklemmt. Er hatte keinen Humor. Die Rangordnung der Götter und Göttinnen der alten hawaiianischen Kultur wird durch ihre Macht bestimmt, nicht durch ihre Reinheit, und sie werden ebenso für ihre Laster verehrt wie für die imponierende Anzahl ihrer Tugenden. Im Grunde sind sie nicht anders als wir Menschen – nur größer, kühner und in jeder Beziehung besser.
Die beiden Lieblinge sind Lono und Pele, die lüsterne Vulkangöttin. Wenn Pele ein Fest gab, kamen alle ; sie war eine wollüstige langhaarige Schönheit, die nackt auf
flüssiger Lava tanzte, in jeder Hand eine Kalebasse mit Gin, und derjenige, dem das nicht gefiel, wurde auf der Stelle umgebracht. Pele hatte ihre Probleme – gewöhnlich mit aufmüpfigen Liebhabern und gelegentlich mit ganzen Armeen –, aber letztendlich behielt sie stets die Oberhand. Und wie es die Legende will, lebt sie noch immer in ihrer Höhle unter einem Vulkan am Mt. Kilua und kommt von Zeit zu Zeit hervor, um über die Insel zu streifen. Dazu bedient sie sich aller erdenklichen Erscheinungsformen: Manchmal nimmt sie die Gestalt eines schönen jungen Mädchens auf einem magischen Surfbrett an, ein andermal tritt sie als abgetakelte Dirne auf, die allein an der Bar des Volcano House hockt. Aber gewöhnlich und aus Gründen, die keine der Legenden je schlüssig dargelegt hat, erscheint sie in Person einer runzligen alten Frau, die mit einer Flasche Gin im Knappsack per Anhalter über die Insel zieht.
Ob Pele und Lono je zusammengekommen sind, ist immer noch eine von Geheimnissen umwitterte Frage, aber als Spieler würde ich darauf wetten. Auf diesen Inseln finden die beiden mächtigsten Gottheiten der hawaiianischen Geschichte einfach nicht genug Raum, um tausend Jahre umherzuziehen, ohne dabei einander zu Leibe zu rücken.
König Lono, Herrscher über alle Eilande, lange bevor die Hawaiianer es zu einer Schriftsprache brachten, ist nicht vom selben Schlag wie Jesus, obwohl er allem Anschein nach über dieselben grundanständigen Instinkte verfügt haben dürfte. Er war ein weiser Herrscher, und seine Regentschaft wird in der Legende als eine Zeit des Friedens, des Glücks und des Überflusses gepriesen –
die gute alte Zeit sozusagen, bevor der weiße Mann auftauchte –, was vielleicht auch der Grund dafür sein mag, dass man ihn nach seinem Verschwinden in den Stand eines Gottes erhoben hatte.
Lono war auch ein chronischer Radaubruder mit nicht zu zügelndem Temperament, einem wachen Auge für die nackten Tatsachen des Lebens und der Vorliebe für einen starken Drink zu jeder erdenklichen Gelegenheit. Diese Charaktereigenschaften wurden zwar von seinen Untertanen rückhaltlos bewundert, sorgten daheim aber unablässig für Probleme. Seine Frau, die liebliche Königin Kaikilani Alii, stand ihm in Launenhaftigkeit und Jähzorn nicht nach, und der hochherrschaftliche Hausfrieden wurde häufig durch wüste Streitereien erschüttert.
Bei einer dieser Szenen prügelte König Lono seine Königin durch die Hütte und versetzte ihr, zumindest einmal, einen so brutalen Schlag, dass er sie versehentlich tötete. Kaikilanis Tod stürzte ihn in so abgrundtiefen Kummer, dass er seine königlichen Pflichten aufgab, sich auf eine Wanderschaft über die Inseln machte und dabei eine Reihe von Box- und Ringkämpfen bestritt, bei denen er sich jedem Gegner stellte. Doch bald hatte er genug davon und trat, wie es heißt, irgendwann gegen Ende des achten oder neunten Jahrhunderts unbesiegt ab. Immer noch verstört und von innerer Leere geplagt ging er in einem magischen Kanu auf die Reise in »fremde Länder« und versprach, zurückzukehren, sobald die Zeit reif sei.
Seither warten die Eingeborenen auf diesen Moment, geben sein Versprechen von Generation zu Generation
weiter und feiern am Ende eines jeden Jahres in treuem Angedenken an ihren lange verlorenen Gottkönig zwei Wochen lang eine enthemmte Orgie mit wilden Partys und Großfeuerwerken. Die Missionare taten alles in ihrer Kraft Stehende, um die Eingeborenen von ihrem Glauben an eine längst überfällige Wiederkehr eines Alter Ego von Christus zu entwöhnen, und moderne Politiker versuchen seit Jahren, den alljährlichen Feuerwerkswahnsinn während der Weihnachtsfeiertage einzuschränken oder sogar zu verbieten, aber bisher sind alle Bemühungen unwirksam geblieben.
ES GIBT KEINE REGELN
Wir erfuhren diese Dinge – oder zumindest einige
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