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Der Fluch des Lono (German Edition)

Der Fluch des Lono (German Edition)

Titel: Der Fluch des Lono (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Tahiti, 2600 Meilen südlich von hier.
    Inzwischen regnete es, und er stellte die Scheibenwischer an. Stoßstange an Stoßstange krochen wir auf
dem Highway entlang. Er war beidseitig gesäumt von Apartmenthäusern im Rohbauzustand, brandneuen Wohnanlagen und Baustellen, auf denen bisher nur Planierraupen und Kräne siedelten. Am Straßenrand tummelten sich langhaarige Halunken, die ihre Surfbretter schleppten und sich nicht um den Verkehr scherten. Captain Steve wurde langsam unruhig, behauptete aber, wir seien gleich da.
    »Es ist eine dieser versteckten Auffahrten«, murmelte er und ging vom Gas, um die Nummern auf einer Reihe Blechbriefkästen lesen zu können.
    »Unmöglich«, sagte ich. »Mir hat man erklärt, die Häuser liegen ganz am Ende einer schmalen Landstraße.«
    Er lachte, trat abrupt auf die Bremse und schwenkte nach rechts durch eine enge Schneise im Buschwerk neben der Straße. »Da wären wir«, sagte er und bremste nochmal mit aller Kraft, um nicht Mr. Heems Wagen zu rammen. Der parkte mit geöffneten Türen inmitten einer Ansammlung schäbiger Bretterbuden ungefähr fünf Meter neben dem Highway. Es war niemand zu sehen und der Regen wurde immer dichter. Wir luden in aller Eile das Gepäck aus dem Camino und schafften es in die nächstgelegene Hütte, eine kärgliche kleine Schachtel, möbliert mit gerade mal zwei Pritschen und einem Sofa von der Heilsarmee. Durch die gläserne Schiebetür hatte man tatsächlich wie versprochen Aussicht aufs Meer, aber aus Furcht vor der tosenden Brandung trauten wir uns nicht, sie zu öffnen. Riesige Wellen donnerten auf die schwarzen Felsen vor der Veranda. Weiße Gischt peitschte das Glas und das Wasser rann
ins Wohnzimmer, an dessen Wänden es von Kakerlaken wimmelte.
    Die Stürme tobten die ganze Woche über: morgens trübe Sonne, nachmittags Regen und nachts grauenhafte Brandung. Wir konnten nicht mal im Pool schwimmen, geschweige denn Tauchen gehen. Captain Steve war voller Mitgefühl, weil wir nicht ins Meer konnten, ja uns nicht mal in seine Nähe wagten. Wir konferierten jeden Tag über Telefon mit ihm, verfolgten den Wetterbericht und hofften auf Besserung.
    Wie der Captain mir erklärte, war das Problem ein Unwetter irgendwo draußen im Pazifik  – eventuell ein Hurrikan über Guam oder vielleicht auch etwas Schlimmeres weiter unten im Süden bei Tahiti. Jedenfalls schickte eine Naturgewalt, die wir weder lokalisieren noch kontrollieren konnten, von irgendeinem weit entfernten Ort riesige Wogen über den Ozean. Hawaii befindet sich so weit draußen inmitten des Nichts, dass eine milde Brise 3000 Meilen entfernt in der Straße von Malakka eine zehn Zentimeter hohe Kräuselwelle zu einem sechs Meter hohen Brecher auftürmen kann, bevor sie Kona erreicht. Kein anderer Ort der Welt bekommt so beständig die heftigen Auswirkungen anderer Leute Wetter zu spüren.
    Die Kona-Küste liegt auf der vom Wind abgekehrten Seite der Großen Insel, von den beiden über 4000 Meter hohen Vulkanen vor den vorwiegend nordöstlichen Böen geschützt. Die gesamte Ostküste der Insel ist eine zerklüftete Einöde aus Farnkraut und schwarzem Geröll, gegeißelt von denselben arktischen Winden, welche die Nordküste von Oahu zum Paradies für Surfer machen.
    Aber dieselbe Welle, die ein Surfbrett in die Höhe hebt, kann auch ein Motorboot packen und mit höllischer Geschwindigkeit in Richtung Strand katapultieren. Niemand, der diese Schlittenfahrt je mitgemacht hat, möchte das Abenteuer nochmal erleben. »Man hat keine Chance, da heil rauszukommen«, bedeutete mir Captain Steve. »Wenn du versuchst, Kurs zu halten, wirst du auf den Felsen zerschlagen wie ein rohes Ei  – und wenn du versuchst, auf dem Wellenkamm zu wenden, schlägt das Boot quer und fängt an zu rollen. So oder so  – du bist erledigt.«
    Einem Freund sei es mal passiert, erzählte er. »Er kam eines Nachmittags mit seiner Touristengruppe von der See wieder rein. Die Leute waren übel gelaunt, weil keiner was gefangen hatte. Daher behielt er sie sorgfältig im Auge, während er gleichzeitig über Funk mit seiner Frau sprach, ohne die Wellen zu beobachten. Plötzlich wurde er gewahr, dass es ihn drei Meter hoch aus dem Wasser gehoben hatte und sie so schnell auf den Hafen zurasten, dass er nur noch von Bord springen konnte. Sein Boot schoss an ihm vorbei und er hörte die Schreckensschreie der armen Teufel auf dem Weg in die Felsen.« Er grinste betreten. »Ein Typ war gerade unter Deck und

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