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Der Fluch des Lono (German Edition)

Der Fluch des Lono (German Edition)

Titel: Der Fluch des Lono (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Hauptdeck der Haere Marue den Captain und den Ersten Maat liegen sehen wie Verwundete nach einer Seeschlacht. Sie waren in
erbärmlicher Verfassung. Der eine schien tot zu sein, dem offen klaffenden Mund und den verdrehten Augen nach zu urteilen, und der andere wälzte sich zuckend auf dem Deck wie ein Fisch mit gebrochenem Genick.
    Das Knäuel aus menschlichen Wrackteilen da unten sah aus wie etwas, das König Kam in einem seiner Kriegskanus, die auf Maui in einen Hinterhalt geraten waren, nach Kona hätte zurückbringen können. Wir waren Opfer derselben fahrlässigen Hybris geworden, die zu Zeiten der Großen Kriege die Besten der hawaiianischen Krieger das Leben gekostet hatte. Wir waren im Wahn der Eroberungsgier aufgebrochen  – zum falschen Ort und zur falschen Zeit und wahrscheinlich auch noch aus falschen Motiven  –, und jetzt kamen wir nach Hause gehumpelt, die Planken von Blut besudelt und mit heillos zerrütteten Nerven. Erhoffen konnten wir uns jetzt nur noch, dass der Rest der Reise reibungslos verlief und uns auf dem Kai eine Willkommensfeier mit guten Freunden und schönen Frauen erwartete. Danach konnten wir uns erholen und die Wunden lecken.
    Ich durfte das Ruder nicht loslassen, denn sonst würde das Boot im Kreis fahren und die Schraube sich in den langen Angelschnüren verfangen, die wir hinter uns herschleppten. Damit die Köder an der Wasseroberfläche blieben, musste ich den Motor konstant auf 1750 Umdrehungen pro Minute halten. Jede Änderung von Geschwindigkeit oder Kurs konnte verheerende Folgen haben. Wenn die Schraube blockierte und wir keine Fahrt mehr machten, würden wir über Funk Hilfe rufen müssen und acht Stunden lang hilflos in den Wellen schlingern, bis ein Boot käme, das uns in den Hafen schleppte.
    Inakzeptabel. Die Mannschaft war nicht in der Verfassung, einen weiteren Tag und eine Nacht auf See durchzustehen. Ich lenkte das Boot näher in Richtung Ufer und gab ein wenig Gas. Ich überlegte, wenn eine gerade Linie die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten war, dann müsste sie bei Höchstgeschwindigkeit eine noch kürzere Verbindung bilden.
    Ich gratulierte mir gerade selbst für diesen Durchbruch in die höhere Mathematik, als mich Gezeter aufschreckte, das von unten heraufdrang. Ich blickte über die Reling und sah Captain Steve, der am Heck kniete und hektisch nach hinten auf die sorgsam ausgebrachten Köder wies  – die wie fliegende Fische durch die Luft segelten und ab und zu aufs Wasser prallten. »Langsamer!« , schrie er. »Bist du denn irre?«
    Irre?, dachte ich und hätte ihm beinahe die Bierflasche ins Genick geschleudert. Der von ihm eingeschlagene Kurs hätte uns in einer weiten Schleife hinaus aufs Meer durch die Gründe der Marlins geführt und unseren Bootstrip um weitere zwei oder drei Stunden verlängert. Er war immer noch von dem Gedanken besessen, einen Fisch zu fangen, und ich entdeckte den fiebrig funkelnden Blick des jagdlüsternen Ahab in seinen Augen.
    »Vergiss es«, rief ich zu ihm hinunter. »Der Spaß ist vorbei. Es wird Zeit für die Rückfahrt.«
    Seine gequälte Miene verriet, dass es keinen Sinn hatte, sich auf einen Streit mit ihm einzulassen. Ohne Beute in den Hafen zurückzukehren, war für ihn undenkbar; und ich spürte seine Bereitschaft, sich jeden Moment mit einem Messer zwischen den Zähnen über
Bord fallen zu lassen, wenn das die einzige Möglichkeit war, doch noch einen Fisch zu fangen.
    Und es war ja schließlich sein Boot. Eine richtige Meuterei anzuzetteln traute ich mich nicht, daher drosselte ich ein wenig das Gas und änderte unseren Kurs. Damit schien er sich zufriedenzugeben, denn er ging wieder nach hinten, nestelte an den Angelschnüren und trank Bier. Ich machte es mir auf meinem Hochsitz bequem und hörte eine Weile dem Funkverkehr zu. Die Sonne brannte heißer und heißer und ich döste vor mich hin. Ab und zu weckte mich jedoch eine Eruption blödsinnigen Geschnatters:
    »… rufe Humdinger , verstehen Sie mich?«
    Lange Pause, statisches Knistern, dann:
    »Verdammt nochmal, ja, verdammt, hier ist Humdinger . Ich höre, wie ist Ihre Position? Over.«
    »Bin auf jeden Fall am falschen Ort, over.«
    (Raues Lachen, wieder statisches Rauschen …)
    »Bleib verdammt, wo du bist, du Mistkerl, komm mir bloß nicht zu nahe.«
    »Was? Sag das nochmal, Humdinger .«
    »Bleib weg! Ich hab zwei splitternackte Frauen an Bord.«
    (Pause und Rauschen.)
    »Wie ist deine Position, Humdinger ? Bin nämlich auch

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