Der Fluch des Lono (German Edition)
Weg von Honokohau hatten wir überall am Alii Drive zurückgelassene Autos und Mopeds gesehen. Der Highway selbst war übersät
von Treibholz und schartigen schwarzen Gesteinsbrocken, und beim Disappearing Beach – der wieder einmal seinem Namen alle Ehre machte – schlugen riesige Brecher über den Asphalt. Wir brauchten fast zwei Stunden, um vom Boot zur Wohnanlage zu gelangen, an der die Brandung noch immer verbissen nagte.
Beide Häuser waren leer, der Pool war überschwemmt, die Gischtkronen leckten an der Veranda, und Liegestühle trieben verstreut in einem Schlamm umher, der aus rotem Seetang zu bestehen schien. Bei näherer Betrachtung erwies sich der Glibber allerdings als schleimig nasser Rückstand von zwei- bis dreihunderttausend Chinaböllern; eine Flut aus rotem Reispapier, das von den Dutzenden chinesischer Kanonenschläge übrig geblieben war, mit denen wir uns amüsiert hatten. Ich dachte, das Zeug sei ins Meer gespült worden – und das stimmte auch, zumindest für kurze Zeit –, doch es war nicht weit genug hinausgetrieben, und jetzt wurde es an Land zurückgeworfen.
Ralph und seine Familie waren fort. Die Tür zu ihrem Haus stand sperrangelweit offen, und der Platz, an dem er seinen Wagen geparkt hatte, versank knöcheltief unter Salzwasser. Die Vorderfront beider Häuser war von einer Schicht roten Schleims verklebt, und nirgends war eine Spur von Leben zu entdecken. Alle waren verschwunden; beide Häuser hatte man der räuberischen Brandung anheimfallen lassen, und mein erster Gedanke war, dass ihr gesamter Inhalt einschließlich der Bewohner von der Unterströmung ins Meer fortgerissen und an den Felsen zerschmettert worden war.
Allen fiel die grundlegend veränderte Atmosphäre in der Bucht auf, die in deutlichem Kontrast zu ihrer ersten Ankunft stand. Auf dem Wasser war kein einziges Kanu zu entdecken, und auf dem Kamm der steil abfallenden, schwarzen Klippe zeigten sich keinerlei Zuschauer. Einige von Cooks Leuten waren beunruhigt, andere, wie King beobachtete, in ihrem Stolz gekränkt, weil man sie derart missachtete. Gerade als sie zu dem Schluss kamen, dass die gesamte Bevölkerung entweder evakuiert worden oder einer Seuche erlegen war, verließ ein einzelnes Kanu den Strand und hielt auf die Discovery zu. Kurz darauf kletterte ein wild aussehender Häuptling in rotem Federumhang die Gangway der Schaluppe empor. Es war Kamehameha, der Neffe des Königs, dessen Erscheinung sie vor drei Wochen so in Unruhe versetzt hatte, als er sich gemeinsam mit den beiden Söhnen Terreeoboos vorgestellt hatte …
Die Segelmacher, Zimmerleute und Marinesoldaten unter Kings Kommando hatten nichts dagegen einzuwenden, sich wieder mit ihren Zelten auf dem Feld beim Heiau einzurichten. Bayly brachte sogar erneut seine Uhr und seine Teleskope mit an Land. Die Priester wirkten ebenso freundlich wie zuvor und waren bereit, den Bereich wieder mit einem Tabu zu belegen. So konnten die Zimmerleute dort bald ihre Handwerkskunst ausüben, den Fuß des Mastes säubern, die gesplitterten Schalungshölzer entfernen und durch neue ersetzen, die sie aus dem Hartholz fertigten, das sie vorausschauend seit Moorea mit sich führten.
Am folgenden Morgen traf König Terreeoboo in der Bucht ein, wie beim letzten Mal in zügigem Tempo und mit großem Pomp. Augenblicklich war nun das Tabu von den Wassern der Bucht genommen; und plötzlich schien es, als hätte sich nichts verändert seit jenen Tagen, da stets zahllose Kanus das Meer zwischen Strand und Schiffen durchpflügten und von morgens bis abends das Stimmengewirr und Gelärme regen Handels ertönte.
Aber das war nur der äußere Anschein. Unter der Oberfläche regte sich bei den Hawaiianern eine kaum verborgene Gewalttätigkeit. Eine große dunkle Wolke der Feindseligkeit überschattete alles, als sei der Vulkan Mauna Loa erneut explodiert und ein Lavastrom des Hasses drohe, alles zu verschlingen.
König Terreeoboo, zitternd und von zwei Söhnen gestützt, kam an Bord der Resolution . Warum waren sie zurückgekehrt? Was wollten sie hier? Wie lange blieben sie diesmal? »Er wirkte ausgesprochen ungehalten«, notierte Jem Burney.
RICHARD HOUGH
The Last Voyage of Captain James Cook
Ackerman war anderer Meinung und vermutete, dass sich alle bestimmt schon auf höher gelegenes Terrain zurückgezogen hatten, bevor die Brandung die Veranden erreicht hatte. Das Standardverfahren bei Winterstürmen am Alii Drive lief so ab: zuerst Sirenen, dann
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