Der Fluch des Lono (German Edition)
keinen Sinn, dort schlafen zu wollen.
Ralph war abgehauen, und ich war zu müde, um mit ihm zu telefonieren. Schon bald würde seine ganze Familie im Flugzeug nach England sitzen, bange aneinandergeklammert und zu erschöpft, um länger als zwei oder drei oder vier Minuten am Stück zu schlafen – wie Überlebende eines furchtbaren Schiffsunglücks, die noch nicht so ganz begriffen hatten, was ihnen zugestoßen war, und die anderen Passagiere von Zeit zu Zeit mit Jammerlauten und Schrecksschreien aufschreckten, bis sie schließlich von der Stewardess beruhigt wurden.
In diesen Tagen verläuft das Leben an der Kona-Küste gemächlich. Noch fressen die Fische und die Sonne scheint und der Wind weht herüber von Tahiti … Aber es liegt eine ungewohnte Stille in der Luft, die nichts mit dem Wetter zu tun hat. Schlimme Angst geht um. Menschen machen sich aus dem Staub. Die gesamte Küste steht zum Verkauf, und sogar die heißblütigen und bildschönen Chang-Schwestern sprechen davon, aufs Festland zu ziehen. Aus dem Kona-Boom ist die Luft raus, zumindest für eine Weile, und die Absahner setzen sich ab.
Von mir lassen sie sich nicht umstimmen. Die Leute hier schätzen mich, aber meinem Urteil möchten sie dann doch nicht trauen.
Also verbringe ich meine Abende auf dem Balkon der Queen Kalama Suite 505 im King-Kamehameha-Hotel. Von dort ist alles zu überblicken: der gesamte Küstenstreifen von Kona, zwei
schneebedeckte Vulkane und ganz besonders der Municipal-Pier, auf dem rund um die Uhr das Leben tobt.
Mir gefällt es hier oben. Ich entwickle mehr und mehr Geschmack am Balkonleben. Die Rechnung läuft immer noch auf Ralphs Namen, aber egal. Das Management wird sie übernehmen. Es hat sich selbst in die Situation gebracht, rechtlich für alle Probleme mit Ralphs Hund verantwortlich zu sein, der immer noch unter internationaler Quarantäne steht. Er war nämlich im Zwinger, der unter persönlicher Aufsicht des Hotelveterinärs stand, wegen massenhafter Flohbisse durchgedreht, und jetzt sind die Herren Hotelmanager haftbar. Das gilt nicht nur für Rupert; es betrifft außerdem alle Hirnschäden, Schwellungen, eine mögliche Erblindung, nicht eingehaltene Termine, Einkommensschmälerungen sowie sonstige Leiden, Schmerzen oder Seelenqualen, die darauf zurückzuführen sind, dass ich an der Poolbar von einer Wespe ins Auge gestochen wurde. Das Biest flog mir ins Gesicht, verfing sich hinter meiner Sonnenbrille und stach mir dreimal in die Augenhöhle. Mein Kopf schwoll gefährlich an, und alles, was man mir zur Behandlung gab, war eine mit Eis gefüllte dreckige Socke, die noch größere Schmerzen verursachte als die Wespenstiche. Und als ich um Hilfe bat, verwiesen sie mich an Doktor Ho, einen »Großtierveterinär«.
Jedenfalls haben sie mich jetzt am Hals. Ich habe hier oben buchstäblich die Lufthoheit und weigere mich, auszuziehen, solange wir zu keiner Einigung gekommen sind.
Ich habe einen koreanischen Anwalt aus Honolulu eingeschaltet, der meine erheblichen Schadenersatzforderungen durchfechten soll. Inzwischen habe ich Gefallen an diesem Hotel gefunden, in dem es sich gar nicht schlecht leben lässt. Zu ebener Erde gibt es jede Menge netter Geschäfte und drei Bars. Unten rechts sehe ich einen großen blauen Pool, links auf der anderen
Seite der Bucht erhebt sich der Hulilee-Palast, und entlang des Uferdamms erstrecken sich saftig grüne Rasenflächen zum House of Lono und zum Grabmal von Kamehameha dem Großen.
Er starb dort unten in einer strohgedeckten Hütte unter den königlichen Palmen am 8. Mai 1819 im Alter von 61 Jahren. Sein Leichnam wurde in einer Feuergrube kremiert, und seine Knochen wurden von seinen wichtigsten Kahunas in einer geheimen Höhle begraben. Sie haben nie verraten, wo sich der Ort befand. King Kam hat auf Hawaii viele Denkmäler, aber keinen Grabstein. Dieselben Kahunas, die seine Gebeine begruben, aßen auch sein Herz um der Kraft willen, die darin wohnte – so wie Kamehameha selbst einst vom Herz des Captain Cook aß.
IN KONA AUF DIE KACKE HAUEN
Am Ende des Kailua Municipal Pier steht eine große Waage, die von den Japsen des hiesigen Kühlhauses betrieben wird. Sie kaufen routinemäßig alle Fische auf, die in den Hafen gebracht werden, und schicken sie nach Tokio, wo sie zu Sashimi kleingehackt und eingefroren werden. Anschließend verfrachtet man sie nach Los Angeles. Mit Sashimi werden dicke Geschäfte gemacht, überall am Pazifik, und den größten Teil davon
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