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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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der direkt aus dem Nebel hervorzuragen schien. Die Scheusale hatten ihm einen Knebel vor den Mund gelegt.
    Lysaer vergaß, daß er nicht mehr über die Befehlsgewalt eines Königssohnes verfügte. Erbleicht, aber mit unanfechtbarer Würde, forderte er den Räuber auf dem Felsvorsprung heraus. »Leiht mir eine Klinge. Um das Leben des Mannes Willen, das Ihr bedroht, fordere ich Euch zu einem ehrenhaften Zweikampf anstelle dieser feigen Erpressung heraus. Wir werden unsere Kräfte messen, auf daß der Bessere siegen möge.«
    »Wie rührend!« höhnte der barbarische Rädelsführer. In seiner Hand hielt er eine dunkle Klinge, unverkennbar Arithons Alithiel, und führte ihre Schneide an das herabhängende Seil. Mit einem Geräusch, das in der umgebenden Stille so laut wie ein Peitschenknall klang, gab der erste Faden des Seiles nach. »Du scheinst uns mit unseren Vorfahren zu verwechseln. Die mögen einst derartige Skrupel gekannt haben, aber solange die Stadtregenten herrschen, wird es in diesem Paß keinen fairen Kampf geben. Wer von euch wird also zuerst den Boden berühren, du?« Nun richtete der Schurke die Spitze des Schwertes auf seine Geisel, die bewegungslos über dem Abgrund baumelte. »Oder dieser hier, der uns herausgefordert hat, indem er das erste Blut vergossen hat.«
    »Wenn das stimmen würde, dann wäret Ihr nicht mehr am Leben«, brüllte Lysaer ungehalten. »Ehrloses Diebespack. Hätte ich nur eine Ehrengarde bei mir, ich würde nicht ruhen, ehe auch der letzte von Euch besiegt ist.«
    Eine Hand legte sich auf seinen Arm. Asandir erinnerte Lysaer an die betrübliche Tatsache, daß sein Erbe für alle Zeit verloren war. Tatsächlich besaß er nicht einmal genug, auch nur sich selbst zu verteidigen.
    »Steigt ab, so wie er es wünscht, und beeilt Euch«, sagte der Zauberer, während er sich anschickte, aus dem Sattel zu steigen. Gleichzeitig wurden sie von weiteren bewaffneten Barbaren umzingelt.
    Steif vor verletztem Stolz und ergriffen von mörderischem Zorn ob der Gewalt, die seinem Halbbruder widerfahren war, gehorchte Lysaer widerwillig und beobachtete vor Wut schäumend, wie Asandir seinem Schüler die Zügel seines Rappen übergab und auf das Spalier gezückter Waffen zuging.
    »Wer ist Euer Anführer?« verlangte der Zauberer zu erfahren.
    »Ich stelle hier die Fragen, Graubart«, sagte der rotbärtige junge Sprecher, der nun mit großen Schritten von dem Felsvorsprung herabkam. Übertrieben sicher, ja herablassend, schritt er durch den Kreis seiner Kumpane.
    »Dann fragt«, sagte Asandir gelassen höflich. »Aber seid vorsichtig, junger Freund. Ihr könntet etwas anderes erringen, als Ihr erwartet habt.«
    »Du überschätzt dich anscheinend«, sagte der Barbar, während der Wind durch das Fell seiner Jacke und seiner Mütze fuhr und den Schmuck aus Fuchsschwänzen an seinem Gürtel tanzen ließ. »Der Rat alter Männer ist so verbreitet wie der Nebel selbst, und er mag ebenso leicht ignoriert werden.« Mit einer blutigen Faust deutete er auf die Geisel oben am Berghang. »Für sein Leben und das deinige sollten deine Enkel oder andere Verwandte besser bald mit einem Lösegeld aufwarten.«
    »Es ist nicht Gold, was Ihr ersehnt.« Asandir betrachtete den Barbaren von seinen blutbespritzten Stiefeln bis hinauf zu der Wolfsfellmütze. »Um Euer selbst Willen hättet Ihr die Weisheit Eurer Vorfahren hüten sollen, doch die Rachsucht hat einen Toren aus Euch gemacht.«
    Hektisch atmete der Anführer der Räuber ein. Er fand keine Worte. Der Zauberer bannte ihn mit seinem eisigen Blick, ehe er jeglichem Widerspruch mit einem knappen Befehl zuvorkam: »Lysaer, kommt vor und nehmt die Kapuze ab.«
    Nun erfaßte blinde Wut den Barbaren. »Der nächste, der spricht oder sich bewegt, wird auf meinen Befehl mit dem Leben bezahlen.«
    »Nicht so schnell«, widersprach der Mann, der nun vortrat. Er war in schlichte Wolle gehüllt, und kein Ring zeigte sich an seinen Fingern, als er die Handschuhe auszog und die Hände hob; andererseits bewegte sich der Mann mit einer unbewußten Selbstsicherheit, die die Aufmerksamkeit jedes Clanmitgliedes auf sich zog.
    Dunkler Stoff glitt zurück und offenbarte honigfarbenes Haar, blaue Augen, in denen noch immer eisige Wut abzulesen war, und Gesichtszüge einer Herkunft, wie sie in Camris schon seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen worden waren, und doch waren sie jedem Clan längs des Valendale bekannt.
    »S’Ilessid«, rief die Frau mit dem vernarbten Gesicht aus.

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