Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
zerbrechlich aus.
Der Prinz fühlte sich schmutzig, und der Duft ihres Parfüms erinnerte ihn daran, daß er nach Rauch und Schweiß riechen mußte, dennoch legte er seine Lippen auf die Hand, die so schwielig war wie die eines Schwertkämpfers. Er mußte seine Überraschung über diese unweibliche Eigenart seiner Dienerin niederkämpfen, ehe er seine Verlegenheit überwinden und sich seiner eigenen höfischen Manieren besinnen konnte.
»Eure Ankunft läßt unsere Hoffnung neu erblühen.« Maenalle lächelte ihn strahlend an, wandte sich um und rief den Bewaffneten zu: »Habt ihr gehört? Ein s’Ilessid! Ein Abkömmling des Blutes von Halduin! Lysaer, Teir’s’Ilessid, ist zurückgekehrt, um den Thron von Tysan zu beanspruchen.«
Lautes Geschrei antwortete ihren Worten. Niemand kümmerte sich mehr um das Protokoll. Männer sprangen hastig von ihren Pferden und umringten voller exstasischer Aufregung die Dienerin und den von ihr anerkannten Prinzen.
»Ihr müßt ihnen ihren mangelnden Respekt vergeben, Euer Hoheit«, rief Maenalle ihm zu, als Dutzende von Händen den Prinzen aus dem Sattel hoben und nach ihm griffen, um ihn ungestüm zu begrüßen. »Fünf Jahrhunderte sind eine lange Zeit, auf Eure Ankunft zu warten, und es war für uns alle keine leichte Zeit.«
Zu sehr außer Atem, um ihr auch nur eine einfache Antwort zu bieten, kämpfte Lysaer darum, sein Gleichgewicht wieder zu erringen. An die Anstandsregeln bei Hofe gewöhnt und selbst seinen Freunden gegenüber formell im Benehmen, erlitt Lysaer durch die grobe Kameradschaft dieser Männer Schaden an seiner Würde. Ohne Vorwarnung zum Thronerben eines Reiches von unvorstellbarer Größe erklärt, mußte er nun um seine Haltung ringen, ohne die geringste Kenntnis von den hiesigen Gebräuchen zu haben.
Die Abkehr von jeglichen Anstandsregeln gestattete keine Fragen, weder über die Rückkehr des Prinzen aus Dascen Elur, noch über den erniedrigenden, fehlgeschlagenen Überfall auf dem Paß von Orlan. Nachdem der Zauberer Maenalle taktvoll darauf aufmerksam gemacht hatte, daß er und seine Begleiter zwei Tage und Nächte mit nur knapp bemessenem Schlaf durch den Sturm geritten waren, rief die Dienerin ihre Eskorte zur Ordnung. Schnell und anstandslos bildeten die Reiter mehrere Reihen und machten sich auf den Weg, den Prinzen und seine Begleiter dem Komfort des westlichen Außenpostens der Clans von Tysan zuzuführen.
Während die Bedürfnisse der königlichen Gäste erfüllt und die müden Pferde in den Stall geführt wurden, zog Maenalle leise die Tür zu ihrem Gemach hinter sich ins Schloß. Inzwischen hatte sie sich der Pracht von Diadem und Wappenkleid entledigt. Ihre Amtstracht umgab sie wie ein Schatten, und ihr federgeschmücktes Haar lag wie ein Glorienschein um ihr Haupt, während sie den Zauberer beobachtete, der sich an ihrem Herd auf der anderen Seite des Raumes erwärmte. Obwohl ihr der Raum auch als Amtszimmer diente, gab es keine Schreibwerkzeuge, kein Pergament, nicht einmal ein Möbelstück, das wenigstens entfernte Ähnlichkeit mit einem Schreibtisch aufwies. Nur in einer Ecke des Raumes stand ein leeres Weinfaß, das nun als Ablage für aufgerollte Schriftstücke diente. Hinter dem roh gezimmerten Tisch befand sich der einzige Wandbehang des Zimmers, ein Wolfspelz, der, mit Rohleder verlängert, den kalten Wind abhalten sollte, welcher sich durch die Ritzen zwischen den ungleichmäßigen Wandbohlen stahl.
»Du wolltest mich sprechen«, sagte Asandir freundlich.
Erschrocken stellte sie fest, daß sie zu atmen vergessen hatte, worauf sich Maenalle in der Höhe auf die Hüften schlug, in der normalerweise ihr Schwert hängen sollte. »Du kannst mir jetzt erzählen, was du nicht öffentlich preisgeben wolltest.«
Sie war schon immer von beeindruckendem Mut gewesen. In der warmen, nach Zedern und geöltem Leder duftenden Luft des Raumes zog Asandir seine feuchten Stulpen zurück und massierte seine Handgelenke, um die Blutzirkulation wieder anzuregen. Als er sie nun wieder anblickte, war das Lächeln aus seinem Gesicht verschwunden. »Wenn deine Leute feiern wollen, so müssen die Feierlichkeiten zu Ehren ihres Prinzen kurzgehalten werden. In den Mirthlvainsümpfen sind giftige Methschlangen gefunden worden. Sie entstammen einer wandernden Art, und wenn sie sich allzusehr ausbreiten sollten, werden wir eilends abreisen müssen.«
Noch immer in demselben scharfen Tonfall, den sie gegenüber Grithen bei dessen Befragung angewandt
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