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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Das ganze Tal am Ende des Passes lag konturlos in dem düsteren Dunst. Aufgeschreckt durch den Ruf eines Horns, gefolgt von dem schwachen Aufblitzen goldenen Schmuckes, stöhnte Grithen in schmerzlicher Erwartung. Herzog Tashan mußte tatsächlich das Lager in Aufruhr versetzt haben, denn kein Geringerer als ein Bruderschaftszauberer vermochte Maenalle, Dienerin von Tysan, dazuzubringen, ihr ledernes Jagdgewand gegen protokollgemäße Kleider zu tauschen.
    Einer seiner Kameraden stichelte mitfühlend: »Wer hätte auch gedacht, daß der alte Herzog noch immer so flink wie eine Eidechse auf den Beinen ist.«
    Nicht nur der junge Herzog und Verursacher des Desasters im Paß war von dieser Begrüßung überrascht. Am Kopf des Reiterzuges, gleich neben Asandir, konnte der eben erst ausgerufene Thronfolger von Tysan seine Verwirrung lediglich durch die ihm eigene höfische Etikette verbergen, als er sich den geschmückten Gardesoldaten des Außenpostens gegenüber sah.
    »Die Frau mit dem Diadem und dem Umhang in Euren Farben ist Maenalle«, erklärte Asandir eilends. »Sie ist die Dienerin des Reiches, letzte Erbin eines sehr alten Titels. Sie und ihre Vorgänger haben Tysans Erbe in der Abwesenheit des Königs in all den Jahren seit der Rebellion gehütet. Laßt mich erst mit ihr sprechen. Dann solltet Ihr sie mit gebührendem Respekt begrüßen, denn alles, was sie getan hat, geschah in Eurem Namen.«
    Die von der Reise ermatteten Neuankömmlinge zügelten ihre Pferde vor den Reitern des Clans. Diese Reiter trugen keine Felle, sondern die seidene, königlich blaue Amtstracht, und ihre Schwertgurte waren mit Gold verziert. Auch das Zaumzeug ihrer edlen Pferde war aus Gold und glänzend poliert. Die Frau an der Spitze der Delegation war knabenhaft schlank und saß unruhig auf ihrem Damensattel. Ihre Tracht war mit Zobelfell geschmückt, und unter ihren von weichem Pelz umschmeichelten Schultern fiel ein Umhang mit dem Sternenbanner von Tysan über ihren schmalen Leib. Ein silberner Reif spannte sich um ihr ergrauendes, kurzgeschnittenes Haar. Sie ritt vor, um Asandir zu begrüßen, zügelte ihr Pferd, als er abstieg und schenkte ihm ein warmherziges Lachen, als er die Arme ausstreckte und sie aus dem Sattel hob.
    Ein Diener führte ihr Pferd und das des Zauberers fort, während sie ihre braunen Augen auf Asandir richtete und ihre Grußworte sprach: »Willkommen in Camris, Asandir aus der Bruderschaft.« Ihre Stimme war von elfenhafter Klarheit und klang jünger, als ihr von den Jahren gezeichnetes Gesicht mit den hochangesetzten Wangenknochen erwarten ließ. »Euer Besuch ehrt uns. Trotzdem danke ich Ath, daß Ihr nicht häufig genug hier seid, mich an diesen Hofstaat zu gewöhnen.«
    Asandir nahm den Dornenzweig aus ihren Händen entgegen, der die Jahrhunderte des bitteren Exils symbolisierte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und spiegelte sich in seinen Augen. Voller Sanftmut setzte er seine Kunst ein, und frisches Grün sproß aus dem toten Holz in seinen Händen. Eine Unzahl junger Blätter entfaltete sich an dem vormals kahlen Zweig, gefolgt von einer Knospe, die sich schließlich zu der makellosen, weinroten Blüte einer Sommerrose entwickelte.
    Während die Clanmitglieder dem Schauspiel in ehrfürchtigem Schweigen folgten, brach Asandir die Dornen ab und steckte den Zweig in das graue Haar der Dienerin. »Gnädige Frau Maenalle«, sagte er feierlich. »Ich darf Euch nun sagen, daß Ihr diese höfischen Gewänder noch zu anderen Gelegenheiten tragen werdet.« Sanft drehte er sie um und hob ihre Hand in Richtung des Reiters, der auf seinem Wallach thronte, wie ein Mann, der zum Herrschen geboren war. »Ich bringe Euch Prinz Lysaer s’Ilessid, Nachfahre von Halduin dem Ersten und durch sein Blut Euer aller oberster Herrscher.«
    Lysaer blickte die Dienerin an, deren gesellschaftliche Stellung er durch seinen Herrschaftsanspruch schmälern würde, eine Frau, die mit jeder unbewußten Bewegung Macht ausstrahlte. Seines eigenen neuen Standes unsicher, erwartete er eine feindselige, ablehnende, ja schockierte Reaktion. Aber der Ausdruck in Maenalles strahlenden Adleraugen zeigte lediglich Überraschung, ehe sie sich mit Tränen füllten. Gleich darauf begann sie aus reinster Freude zu weinen. Ohne einen Gedanken an den schlammigen Boden zu verschwenden, knickste sie vor ihm und reichte ihm ihre Hand zum königlichen Kuß.
    »Mein Gebieter«, murmelte sie. Plötzlich sah sie unter dem schweren offiziellen Gewand ganz

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