Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
Antwort. »Die Paravianer suchen.«
Asandir seufzte. Traurigkeit senkte sich so bedrückend über ihn wie der Nebel über die Berge. »Das haben wir versucht«, sagte er schlicht. »Ciladis aus der Bruderschaft hat diese Aufgabe auf sich genommen, denn er schätzte die alten Rassen von uns allen am meisten.« Für eine Minute herrschte qualvolles Schweigen. »Er kehrte nie zurück.«
Als wäre die Nacht plötzlich zu dunkel oder die Kälte, die von den Gipfeln herabstieg, zu durchdringend, verließ Asandir die Koppel, ging zurück zu den Lichtern des Außenpostens und überließ Arithon der Gesellschaft der Pferde und seiner trübsinnigen Gedanken.
Traithe
Auf einer Kuppe der strauchbewachsenen Hügel der Rohrdommelwüste ragte die Spitze des Althainturmes in den nie endenden Wind hinauf. Zeit und Jahreszeiten mochten sich ändern, aber ob bei Schnee oder im heißen Sommer, stets heulten die Winde durch die undichten Fensterläden des obersten Stockwerkes und zogen durch die Schriftrollen, die zwischen den staubigen Bücherstapeln eingeklemmt waren. Gleich verlorenen Eierschalen im Stroh verbargen sich schmutzige Teebecher zwischen den Bücherbergen. Inmitten der Unordnung, der offenen Tintenfässer und der akribisch gepflegten Federn kümmerte sich Sethvir aus der Bruderschaft der Sieben um seine Niederschriften. Während seine magische Wahrnehmung weit über die Grenzen seines Nestes hoch oben im Turm hinaus allen Ereignissen und Vorzeichen nachspürte, ob sie mit großen Truppenbewegungen oder nur mit der Entwicklung der Kaulquappen zu Fröschen einhergingen, brachte er gleichzeitig saubere Buchstaben zu Papier. Kein Kerzenschein beleuchtete seine Arbeit. Dunkelheit kam und ging in ihrem täglichen Rhythmus, den weder Schlaf noch brennende Kerzen störten.
Der Wind heulte den Berg hinunter, als ein Rascheln am Fenster, so leise wie das Scharren einer Maus, die Aufmerksamkeit Sethvirs erregte. Er sah auf, und seine sanften Augen verloren ihren weltentrückten Schimmer, während er seine Feder niederlegte und sich augenblicklich erhob.
»Traithe?« fragte er. Der Staub von sechs Tagen stieg von seiner Robe auf, als er sich zwischen Stühlen hindurchzwängte, auf denen große Stapel Schriftrollen lagen, und die Fensterläden öffnete, hinter denen der vernebelte Himmel des frühen Morgens zum Vorschein kam.
Des Zauberers ernste Miene glättete sich, als ihm gleich darauf das Rauschen näherkommender schwarzer Schwingen antwortete. »Sei mir willkommen, kleiner Bruder«, begrüßte er den Raben, der auf dem geflochtenen Saum seines Ärmels landete. Der Vogel krächzte, legte keck den Kopf auf die Seite und blinzelte ihn mit seinen klugen Augen an.
Gedankenverloren schloß Sethvir das Fenster. »Hast du deinen Herrn mitgebracht, Kleiner?«
Der Rabe hüpfte auf seine Schulter und putzte sich mit tadelndem Blick das Gefieder. Als Sethvir nicht reagierte, trat der Vogel auf seiner Schulter hin und her und machte sich mit deutlicher Ungeduld erneut bemerkbar. Der Zauberer lachte. »Gut, gut, ich bin ja schon unterwegs.«
Ohne noch einen Gedanken daran zu verschwenden, daß nun die Tinte auf seiner bevorzugten Feder eintrocknete, trug der Hüter von Althain den Vogel aus seinem Arbeitsraum und die schlichte Wendeltreppe hinab, die die neun Stockwerke des Turmes miteinander verband. Überall im Turm kauerten die Schatten vergangener Zeitalter, doch nirgends mehr als im Erdgeschoß, wo das gedämpfte Tageslicht die marmornen Statuen der Zentauren, Sonnenkinder und Einhörner umrahmte. Augen aus Juwelen und Goldverzierungen blitzten auf, während Sethvir an ihnen vorbeischritt, erwachten zu glitzerndem Leben, als der Zauberer die Fackeln am einzigen Eingang des Turmes entzündete. Sethvir zog an einem Ring in einer Vertiefung und öffnete eine verborgene Tür in der goldgefaßten Wandtäfelung. Der staubige Geruch alter Bücher und Wandteppiche wich dem schärferen Aroma geölten Stahles, und das Licht der Fackeln wurde von einer komplizierten Anordnung aus Ketten und Gewichten reflektiert. Der Rabe flatterte kurz mit den Flügeln, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, als der Zauberer sich an der Winde zu schaffen machte und die Riegel vor den zwei massiven, eisenbeschlagenen Türflügeln öffnete, hinter denen das gewölbeartige Ausfalltor lag, das einst durch den Sockel des Turmes getrieben worden war.
Hier unten jaulte der Wind mißtönend durch die Schießscharten. Sethvir führte seine
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