Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
Maenalles Urteil zustimme.« Lysaer setzte sich, und alle anderen folgten seinem Beispiel. »Bruder«, sagte er, wobei seine Stimme sonderbar erregt klang. »Wirst du nun aufhören, Trübsal zu blasen, und für uns spielen?«
Da ihm das Liedgut Atheras nicht bekannt war, wählte Arithon eine Ballade aus Dascen Elur, eine lebhafte Erzählung über einen gerissenen Piratenkapitän, der bei einem Raubzug gleich drei Handelsschiffe erbeutet hatte. Wenn Arithon auch aus Rücksicht auf seinen Halbbruder die Namen der Schiffe verändert hatte, so konnte sich Lysaer doch in aller Deutlichkeit an den Vorfall erinnern. Die Händler hatten einen schrecklichen Tod erlitten, und die Witwen und Familien der Seeleute hatten um Almosen betteln müssen, um zu überleben. Doch Sänger und Instrument entfalteten ihren Zauber mit großem Geschick. Die Clanführer reagierten mit heiserem Gelächter und herzlicher Freude, doch niemand außer dem Künstler ahnte, wie sehr das Gelächter den Prinzen in seiner Ehre verletzte. Dennoch konnte Lysaer Arithon seine Darbietung nicht verübeln. Es war seine Pflicht, ihre Gastgeber zu unterhalten, und in diesem Lager ohne Ehefrauen oder Geliebte zeigte er durch seine Liedwahl großes Einfühlungsvermögen. Dennoch hatte die räuberische Weise, die diese Barbaren so sehr erfreute, Wurzeln in der Vergangenheit, die Lysaer daran erinnerten, wie tief die Kluft zwischen den Bewohnern des Landes und ihrem Regenten war.
Früh schon zog sich Lysaer mit der Ausrede, müde zu sein, von den Feierlichkeiten zurück. Dennoch war er bereits viele Stunden in seinem komfortablen Zimmer, ehe er sich entkleidete und zu Bett legte. Der Friede des Schlafes wurde ihm jedoch auch dann nicht zuteil.
Konfrontation
Es wurde sehr spät. Die Kerzen waren bereits tief heruntergebrannt, als Arithon die Schlußtakte seines letzten Tanzliedes spielte. Obschon noch immer von Bewunderern umringt, in deren Gesichtern Freude aufleuchtete, brachte Arithon den reichen Klang von Elshians Instrument mit einem beinahe erleichterten Gefühl zum Verstummen. »Noch ein Trinklied!« rief einer der Rüpel aus dem Hintergrund.
Arithon schüttelte den Kopf und legte die Lyranthe vorsichtig auf dem leeren Tisch vor sich ab. »Meine Finger sind wund, meine Stimme ist längst weg, und mein Rücken schmerzt vom langen Sitzen.«
»Dann trinkt noch ein Bier mit uns«, schlug eine junge Frau vor.
»Was, und mir den Kopf für jeden klaren Gedanken verderben?« Mit dem wilden Grinsen eines Diebes auf seinen Lippen erhob sich Arithon. »Ich habe so oder so schon genug geschluckt, zuviel des Lobes hat ein Übriges getan. Habt Gnade und gestattet mir, mich zurückzuziehen, solange ich noch genug Verstand besitze, mein Bett zu finden.«
»Sie würde Euch bestimmt auch gern das ihre zeigen«, spöttelte jemand von der Seite.
Die Bewunderer in seiner direkten Umgebung bemerkten jedoch seine Erschöpfung. Widerstrebend machten sie ihm einen Weg frei zwischen den abgeräumten Tischen, den letzten besetzten Stühlen und den Knaben, die die Weinbecher und das Leinen abräumten. Obwohl die Clanangehörigen von Camris ausgiebig gefeiert hatten, lagen nirgends Betrunkene am Boden. Die Festteilnehmer, die noch so lange geblieben waren, waren alle noch rege genug, um im Falle einer Alarmmeldung durch einen ihrer Kundschafter auf schnellstem Wege ihre Waffen zu ergreifen. Still und bescheiden durchquerte Arithon die weite Halle in Richtung Tor. Maenalle bemerkte ihn gar nicht, als er in der düsteren Vorhalle verschwand, aber Dakar, der, obgleich er immer noch sein Bierglas umklammert hielt, zu einem schlaffen Haufen zusammengesunken war, öffnete träge eines seiner Augen. Er sah, wie Asandir sein Gespräch mit einem der Clanführer abbrach und zielstrebig auf die Tür zuging.
»Dachte ich’s doch«, murmelte der Wahnsinnige Prophet in seinen Bart. »Unser Herr der Schatten wird jetzt gewaltig eins auf den Deckel kriegen.« Dakar leckte sich über die Lippen und lächelte, ehe er wieder in Erstarrung fiel; tatsächlich sollte sich seine selbstgerechte Vorhersage jedoch als etwas verfrüht erweisen.
Asandir folgte Arithon nicht sofort, sondern suchte zunächst für einen längeren Zeitraum die Räume des Prinzen von Tysan auf. Danach, als der Wind eisig aus der Höhe herunterraunte und der Dunst des Desh-Thiere das Licht der aufkommenden Dämmerung verfinsterte, ging der Zauberer hinaus, um Arithon zu suchen.
Der Teir’s’Ffalenn war allein auf
Weitere Kostenlose Bücher