Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten
nackten Haut zu Bewußtsein kam, versuchte Arithon, sich herumzudrehen, doch die Bewegung verursachte einen entsetzlichen Schmerz in seinem Kopf. Er keuchte. Benommenheit befiel ihn, und er konzentrierte sich auf seinen Geist, um seine zerstörte Selbstkontrolle wieder instandzusetzen.
Seine Bemühungen entglitten ihm. Trotz des Meistertrainings unter den Zauberern von Rauven zerfielen seine Gedanken in ungeordnete Gefilde.
Etwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung.
Arithon zwang sich zur Ruhe. Er begann noch einmal, versuchte, sich zu konzentrieren, um zur Basis seiner Zauberkraft vorzudringen. Auch ein unbedeutender Illusionszauber verlangte eine perfekt Einheit von Körper und Geist, denn ein Zauberer konnte nur über die Kräfte Macht ausüben, deren Selbstbewußtheit der seinen unterlegen war.
Seine Mühen trafen auf bemerkenswerten Widerstand. Unter Qualen kämpfte Arithon gegen die Schmerzen an, die wie ein Flammenmeer hinter seiner Stirn wüteten. Hatte er das Gleichgewicht der Kräfte falsch eingeschätzt? Ein Magier, der versuchte, eine überlegene Kraft zu manipulieren, löste damit einen Rückschlag aus, der ihn im Augenblick des Kontakts treffen würde. Arithon fühlte unterschwellig Furcht. Eine Fehleinschätzung seiner Fähigkeiten war kein schlichtes Mißgeschick, sondern ein Fehler, der schon an Selbstmord grenzte. Warum? Rasselnd atmete er ein.
Schaler, feuchter Geruch hing in der Luft, salzig wie die Wasserlachen bei Ebbe. Seine Augen meldeten ihm nichts als Dunkelheit. Unfähig, diesen Umständen einen logischen Zusammenhang abzuringen, machte Arithon seinen Geist frei, um zunächst dem innerlichen Tumult Einhalt zu gebieten. Wie ein Novize löste er sich Schritt für Schritt von seinen physikalischen Empfindungen. Sein Unbehagen erschwerte seine Bemühungen, doch nach einer Pause gelang es ihm, seine geistige Aufmerksamkeit neu auszurichten. Wenngleich es ihn auch enorm viel Mühe kostete, schaffte er es schließlich doch, seine Einsicht zurückzugewinnen. Mit wohlerwogener Präzision sondierte Arithon sein physisches Selbst. Etwas Kaltes umgab seine Hand- und Fußgelenke. Das Muster entsprach dem von Metall. Also hatte er sich nicht in einem verpfuschten Zauber verfangen, nein, jemand hatte ihm Fesseln angelegt. Entschlossen schob Arithon den Gedanken an die Bedeutung dieser Entdeckung von sich und trieb seine Sondierung weiter in die Tiefe, drang unter die Oberfläche der Gefühle wie Kälte und Schmerz, vorbei an den Muskelkrämpfen, und der Schaden, den er dort vorfand, ließ ihn zurückschrecken. Seine Kontrolle brach unter einer Flut aus Entsetzen zusammen, und die Erinnerung an die Verzweiflung, die all sein Handeln seit seiner Gefangennahme bestimmt hatte, kehrte zurück. Er hatte einen sauberen Schwerthieb herbeigesehnt, weil er Amroth nicht lebend hatte erreichen wollen. Aber jetzt, ja, jetzt… Der s’Ilessid hatte kein Recht, ihn gefangenzunehmen.
Pfeifend entfuhr die Luft seinen Lungen, gepreßt durch die Übelkeit, die seine Eingeweide umklammert hielt. Statt ihm einen gnädigen Tod zu bereiten, hatten seine Feinde ihn vergiftet, ihn mit einer Droge betäubt, die Körper und Geist schädigte, nur um der Rachsucht ihres Königs zu genügen.
Arithon zügelte seine Wut. Er war überrascht, daß sein Wille so einfach zu brechen gewesen war. Seine Feinde hatten ihn gezwungen, weiterzuleben, doch er durfte ihnen nicht gestatten, seinen Geist durch Wahnsinn zu zersetzen. Als Magier und Meister hatte er eine große Verantwortung zu tragen. Niemals durfte er zulassen, daß seine Macht in die Gefahr geriet, zerstörerisch zu wirken. Die Lektionen von Rauven hatten ihn gelehrt, war er zu tun hatte, auch dann noch, wenn der Rest seiner Selbstbeherrschung immer weiter in sich zusammenfiel. Schon jetzt verursachte ihm die Luft auf seiner Haut Schmerzen, verkrampfte sich sein Magen vor Übelkeit, schmeckten seinen Lippen salzig von dem Schweiß. Diese Belastung seiner physischen Sinne drängte ihn an den äußersten Rand seiner Kraft, und so erfahren er auch im Umgang mit Narkotika und magischen Kräutern war, die eine erweiterte Hellsicht herbeiführten, so wenig Möglichkeiten blieben ihm nun, mit diesem Ansturm umzugehen.
Langsam und vorsichtig drehte sich Arithon auf den Rücken. Die Bewegung verschlimmerte seine Übelkeit noch. Tränen liefen über seine Schläfen, und er atmete ruckartig. Nur langsam ließ die Schwäche nach, und sein Kopf schwirrte wie eine Kompaßnadel im
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