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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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richtete er seinen steifen Körper auf. Von seinem Assistenten darüber in Kenntnis gesetzt, daß die Sonne schon lange untergegangen war, rief er laut aus: »Bei Aths gnädigem Wohlwollen! Dieser Mann hat einen stählernen Willen.«
     
    Am Morgen war die Droge nicht mehr länger notwendig. Während der letzten Stunden des Entzugs war Arithon ständig bei Verstand gewesen. Wenngleich die rohe und unbeugsame Courage des Mannes unterwürfige Bewunderung in dem Heiler auslöste, so konnte doch keine Stärke des Charakters den Tribut für seine Heilung schmälern. Seiner Kraft beraubt und so erschöpft, daß seine Knochen, Muskeln und Venen deutlich unter der blutleeren Haut hervortraten, war Arithon mehr tot als lebendig.
    Als er aus seinem ersten natürlichen Schlaf erwachte, sprach der Heiler mit ihm. »Der König sollte erst dann von deiner Gesundung erfahren, wenn es unbedingt notwendig ist. Du brauchst soviel Zeit wie möglich, um wieder zu Kräften zu kommen.«
    Der Gefangene reagierte anders als erwartet. Ein matter Ausdruck des Widerwillens huschte über das Gesicht des Mannes, der zu erschöpft war, Emotionen zu zeigen. »Das ist ein hohes Risiko. Der König wird dich für deine anmaßende Sentimentalität exekutieren lassen. Und ich werde genau so lange leiden müssen, wie mein Körper und mein Geist noch fähig sind zu reagieren.« Arithon drehte sein Gesicht zur Wand. Er litt zu sehr, um seine größte Angst zu formulieren: Angst, daß Kummer und Verzweiflung ihn aus der Balance gebracht haben könnten. Daß seine Selbstdisziplin unter dem Einfluß weiterer Provokationen nachgeben und ihn dazu bringen würde, gewissenlos seine Magie einzusetzen. »Wenn ich den Sündenbock am Hofe von Amroth spielen soll, dann laß mich keine Stunde mehr warten. Ohne den Einfluß der Drogen werde ich es schon schaffen.« Schließlich beendete er seine Rede mit einer schmerzhaft ironischen Bemerkung. »Wenn du wirklich Erbarmen mit mir hast, dann gehe sofort zum König.« Der Heiler stand abrupt auf. Unfähig, einen Ton zu sagen, berührte er mitfühlend Arithons schmale Schulter. Dann ging er fort, um eine Audienz beim König zu erbitten. Während der ganzen Zeit hatte er befürchtet, daß er die Behandlung des Herrn der Schatten noch bereuen würde, doch er hatte nie damit gerechnet, daß er nun unter seinem eigenen Mitgefühl leiden mußte.
     
    Edelleute und Höflinge in Seide, feinsten Pelzen und Juwelen hatten sich in der von Marmorsäulen gestützten Ratshalle versammelt, an dem Tag, an dem der König von Amroth über Arithon s’Ffalenn zu Gericht sitzen wollte. Obwohl er durch den Zwischenfall bei der Siegesfeier die Gunst seines Vaters eingebüßt hatte, war auch der Kronprinz zugegen. Wenngleich es ihn schmerzte, nicht auf dem Stuhl des königlichen Erbes auf dem Podium sitzen zu dürfen, hatte doch sein tief verwurzeltes Pflichtgefühl die Oberhand behalten. Nun saß er auf der Galerie, die üblicherweise für die Gäste des Königs bestimmt war, und beugte sich aufgeregt vor, als die reichverzierte Tür aufgestoßen wurde. Hellebardiere in königlichem Livree betraten den Raum. In ihrer Mitte ging der Gefangene, eingepfercht zwischen dem stählernen Glitzern der Waffen. Rascheln war zu hören, als sich die hochwohlgeborenen Köpfe der Anwesenden umdrehten, um den Mann anzustarren.
    Lysaer betrachtete den Herrn der Schatten mit gespannter Aufmerksamkeit und einem Wirrwarr aus widersprüchlichen Gefühlen. Die Drogen hatten Arithon einen trügerischen Hauch der Zerbrechlichkeit verliehen. Die bäuerliche Tunika, die er nun anstelle seiner zerrissenen Baumwollkleider trug, hing lose über seinen gebeugten Schultern. Auf seinem bis auf die Knochen abgemagerten Gesicht zeigte sich ein so geschwächter Ausdruck, daß man annehmen konnte, die Fesseln, die an seinen Hand- und Fußgelenken zerrten, wären ihm nicht einmal mehr unbequem. Sein wenig graziöser Schritt verriet das Gegenteil. Die gezischten Schmähungen von den Galerien erzielten keine sichtbare Wirkung. Als der Gefangene mit seiner Eskorte schließlich das Podium erreichte, bemerkte Lysaer eine geradezu aufreizende Absonderlichkeit. Nach allem, was dieser s’Ffalenn getan hatte, um seiner derzeitigen Situation zu entgehen, ließ er sich nun doch nicht die Spur von Besorgnis anmerken.
    Geblendet vom Licht der Kerzen nach den langen Wochen der Gefangenschaft, stand Arithon blinzelnd vor der reichgeschmückten Präsenz des Hofes. Stille erfaßte die Menschen

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