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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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angeborene Gabe zu nutzen und seine Kraft zu verstärken.
    Wenn Arithon davon wußte, so verschwieg er es. Blut lief über seine Wange und tropfte auf den Stein zu seinen Füßen. Ruhig, selbstsicher und gelassen stand er da, scheinbar unberührt von seiner eigenen Hilflosigkeit. Er verhielt sich nicht wie ein Mann, der unter dem aufgezwungen Mangel an Wahlmöglichkeiten litt. Berührt von dieser kühlen Gleichmut rang Lysaer darum, zu verstehen. Wenn er an seines Vaters Seite gesessen hätte, dann hätte er ihm wenigstens zur Vorsicht raten können.
    »Nun?« Edelsteine blitzten auf, als der König sein Zepter hob. »Hast du mir nichts zu sagen?«
    Stille, nur die Bewegungen der Zuschauer verursachten Geräusche, so leise wie Regen, der auf Schnee niedergeht. Lysaer schluckte und stellte fest, daß seine Kehle verkrampft war. Arithon konnte die Schatten herbeirufen oder Zauberei anwenden; all diese Widersinnigkeiten und die ungebrochene Gelassenheit, die sich in seiner Haltung ausdrückte, paßten einfach nicht zu dem ersten Eindruck von seinem Charakter. Verstört über diese Dinge, suchte Lysaer so verbissen nach einem Grund, wie ein Frettchen die Jagd auf Ratten betreiben mochte.
    Der König verlagerte unruhig sein Gewicht. »Wirst du um deiner Freiheit Willen sprechen?«
    Eingekeilt zwischen den Gardisten, gnadenlos von dem massiven Bronzekandelaber angeleuchtet, verharrte Arithon weiter in Schweigen. Er zuckte mit keiner Wimper, sogar als sich die königlichen Finger verkrampften und allmählich weiß wurden.
    »Helft seinem Gedächtnis auf die Sprünge«, sagte der König. Saphire funkelten blau im Kerzenschein, als er das Zepter fallenließ.
    Dieses Mal machte der Gefangene keinen letzten Versuch, den Schlägen zu entkommen. Hart trafen ihn die Hiebe der Hellebardiere an Kopf und Körper. Arithon stürzte zu Boden, rollte sich ab und schaffte es, der Stufe auszuweichen. Dann aber wirkte er wie eine Puppe in den Fängen eines Hundes, so wenig tat er, um sich zu schützen. Die Gardisten schlugen auf den umherrollenden Leib des wehrlosen Mannes ein, und die Ketten klirrten protestierend. Nicht bereit, seinen Feind schon jetzt sterben zu lassen, gebot der König den Mißhandlungen Einhalt.
    Neben dem Läufer, der von dem Podest bis hinaus in das Vorzimmer führte, lag Arithon auf dem Rücken. Seine naturfarbene Baumwolltunika verbarg die Wundmale, die er den Diensten der Gardisten verdankte. Die Männer waren vorsichtig genug gewesen, dauerhafte Schäden zu vermeiden, was, wie Lysaer dachte, ein Fehler gewesen sein mochte. Die unerträglich distanzierte Miene des Bastards hatte sich nicht verändert.
    Abgesehen davon, daß er den König anblickte, sprach Arithon, ohne seine Lage zu verändern. »Dieselben Weisen schrieben, daß Gewalt ein Verhaltensmerkmal der Schwachen ist, der Impotenten und der Dummen.« Das letzte Wort kam nur abgehackt über seine Lippen, da ihm einer der Gardisten einen Tritt zwischen die Rippen versetzte.
    Der König lachte. »Warum hast du dann Rauven verlassen, Bastard? Um impotent, schwach und dumm zu werden? Oder hast du die sieben Schiffe nur zum Spaß mit Mann und Maus verbrannt und versenkt?«
    Wieder schwieg Arithon. Lysaer unterdrückte den Drang zu fluchen. Etwas an dem Widerstand des Gefangenen kam ihm merkwürdig vor, so als suchte er den König mit wohlerwogener Absicht zu etwas Unerwartetem zu führen.
    »Sprich!« Die bärtigen Züge des Königs röteten sich drohend. »Soll ich nach dem Heiler schicken? Vielleicht wird eine zweite Drogenkur dein Benehmen verbessern.«
    Arithon breitete die Hände zu einer Geste aus, die Ungeduld ausdrücken mochte. Doch Lysaers trügerische Hoffnung, der Gefangene könnte seine Selbstkontrolle einbüßen, verflog schnell, als Arithon sich mühevoll aufrichtete. Das blutverklebte Gesicht hochgereckt, wandte er sich dem König zu. »Ich könnte die Fische aus dem Meer herbeireden, Euer königliche Hoheit, und doch würdet Ihr nichts anderes hören, als das Echo Eurer eigenen Boshaftigkeit.« Gezwungen, lauter zu sprechen, um den Lärm der verärgerten Zuschauer zu übertönen, fügte er hinzu: »Und noch immer wäret Ihr impotent, schwach und dumm.«
    Nun erlag der König seinem Zorn. Er brüllte den Gardisten Befehle zu, und schon schlugen gepanzerte Fäuste Arithon zu Boden. Mehr Blut spritzte auf die Marmorplatten, während sich Amroths Adel in beifälligen Jubelrufen erging.
    Lysaer blieb die ganze Zeit über wie angewurzelt sitzen.

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