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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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getragener Sand fuhr durch Öffnungen in Ärmeln und Kragen und stach sich in das bloße Fleisch der Männer. Isoliert durch den Haß und die Erschöpfung litt Lysaer still und preßte die Lippen zusammen, um die Flüche zurückzuhalten. Schmutzige Tränen liefen aus seinen Augenwinkeln. Mit jeder Stunde wuchs sein Elend weiter, bis das Kreischen des Windes und des Sandes zum einzigen Geräusch wurden, das er je gekannt zu haben schien. Die Erinnerungen an Amroth schwanden, verloren sich, wurden fern und substanzlos wie die Bewegungen eines Geistes. Die süße Schönheit der Dame auf der Südinsel schien ein dem Delirium entsprungenes Vergnügen zu sein, denn die Realität definierte sich nur noch aus der Qual jedes einzelnen Schrittes.
    Ihm blieben keine Gedanken mehr für Gefühle. Der Feind an Lysaers Seite schien nur ein bedeutungsloses Gefäß zu sein, eine schattenhafte Gestalt in windzerzausten Fetzen, die von dem herumfliegenden Sand halb verborgen wurde. Weder war Arithon für das Geschehen verantwortlich noch wäre das während der derzeitigen Feuerprobe noch irgendwie von Bedeutung. Das Leiden beraubte Lysaer der Fähigkeit, sich darum zu kümmern. Das pure Überleben zwang ihn, einen Fuß vor den anderen zu setzen, Stunde um grauenhafte Stunde. Schließlich, als die Schmerzen in seinen Muskeln und Knochen zu schlimm wurden, um sie noch länger zu ertragen, brach der Prinz zusammen.
    Arithon blieb stehen. Er griff nicht nach seinem Schwert, sondern stand nur da, stemmte die Schultern gegen den Wind und wartete.
    Am Boden wehte ihm noch mehr Sand um den Leib. Wie spitze Nadeln schliffen kleine Steinchen über sein Fleisch, bis die empfindlichen Nerven unter Schmerzen rebellierten. Lysaer richtete sich mühevoll wieder auf. Wenn auch seine ersten Schritte durch den Feind gestützt wurden, so hatte er doch keine Kraft mehr zu protestieren.
    Bei Tagesanbruch verdeckte graues Licht die Sterne, und der Wind legte sich. Langsam setzte sich auch der Staub ab, und der Horizont breitete sich als kahle Silhouette vor der orangeroten Sonne aus. Endlich legte Arithon eine Rast ein. Blind dem eigenen Hunger und Durst gegenüber ließ sich Lysaer bäuchlings in den kalten, purpurfarbenen Schatten einer Düne fallen und schlief beinahe sofort ein. Noch lange, nachdem die Sonne ganz aufgegangen war und Trugbilder auf das formlose Inferno aus Sand projizierte, rührte er sich nicht.
    Stille lag wie ein schweres Gewicht in der windstillen Luft. Lysaer öffnete die geschwollenen Augenlider und sah, daß Arithon aus dem Fischermantel einen behelfsmäßigen Schutzschirm aufgebaut und den Schatten mit Hilfe seiner ihm eigenen Macht verlängert hatte. Die Tatsache, daß dieser Schirm auch seinen Halbbruder schützte, brachte ihm jedoch keinen Dank ein. Obwohl Lysaer schrecklichen Durst litt und seine Muskeln schmerzten, als wäre er mit einem Stock durchgeprügelt worden, hatte er sich doch weit genug erholt, um wieder zu hassen.
    Das Objekt seiner Leidenschaft saß mit gekreuzten Beinen im Sand, das Schwert offen auf den Knien. Haare, Kleider und Haut waren gleichermaßen mit Staub bedeckt. Bis an die verkrusteten Wimpern verschleiert, öffneten sich die grünen Augen, als Lysaer sich bewegte. Arithon betrachtete seinen Halbbruder mit einer erstaunlichen Wachsamkeit für einen Mann, der die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war.
    »Du hast nicht geschlafen«, sagte der Prinz anklagend. Er setzte sich auf. Trockener Sand rieselte aus seinem Haar und fiel über den feuchten Kragen seiner Tunika. »Lebst du von deiner Zauberkraft oder einfach von deinem ekelhaften Mißtrauen?«
    Arithon verzog die Lippen zu einem schwachen Lächeln. Mit seinen verschorften Finger griff er nach der Wasserflasche neben sich und bot dem Prinzen eine Erfrischung an. »Drei Schluck, Hoheit.« Nur aus seiner Stimme war die gewohnte Gleichmut gewichen. »Die letzte Nacht war die erste von den vielen, die noch kommen werden. Nimm das hin, und du bekommst eine Antwort.«
    Lysaer hielt sich mit weiteren Herausforderungen zurück. Irgendwann würden auch die Vorzüge Rauvens der körperlichen Erschöpfung weichen, also sparte sich der Prinz seine Kräfte und nahm seine Ration des Wassers zu sich. Unter dem wachsamen Blick seines Feindes legte er sich nieder und schlief wieder ein.
     
    Die folgenden drei Tage verliefen unverändert. Nur am Schwinden ihres Proviants konnten sie noch die Zeit bemessen. Die Halbbrüder verbrachten ihre Nächte auf den Beinen

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