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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Handgelenke, seine Knie, während sein Pferd ihn durch die unwegsame Wildnis trug. Regen lief über seinen Kragen. Doch obwohl er entsetzlich fror, beklagte sich der Wahnsinnige Prophet nicht, wenn auch ein anderer Mann nun seinen Umhang trug. Auf dem bewußtlosen Mann in seinen Armen ruhte die fünfhundert Jahre alte Hoffnung Atheras. Der s’Ilessid Prinz unter seinem Schutz war der Erbe des Thrones von Tysan, auch wenn ihn nicht einmal ein warmes Feuer in dem Königreich willkommen geheißen hatte, das er regieren sollte. Der Holzfäller war unterwegs zu der Herbstmesse in Westende, und seine Hütte lag verlassen in der Dunkelheit.
    Die Nacht machte der Morgendämmerung Platz, die sich durch die vernebelten Wipfel der Pinienbäume drängte. Endlich zügelten Zauberer und Prophet ihre Rösser an den Pfosten eines Vorgartens. Das Haus war trocken, die Einrichtung nüchtern. Es gab zwei Räume unter dem steilen, spitzen Dach. Asandir plazierte die beiden Flüchtlinge aus der Roten Wüste auf Decken vor dem Ofen. Nachdem er ein Feuer entzündet und Wasser in dem Eisenkessel über dem Feuer aufgesetzt hatte, kniete er nieder und begann, dem nächstliegenden Mann die feuchten Kleider abzustreifen.
    Die Tür wurde geräuschvoll aufgerissen. Dakar, der die Pferde in den Stall gebracht und versorgt hatte, betrat mit dem Zaumzeug auf den Armen den Raum. »Warum habt Ihr nicht mit dem Prinzen von Tysan begonnen?« fragte er.
    Asandir sah nicht auf. »Ich bin nach der Dringlichkeit vorgegangen.« Zerfetzte Kleider öffneten sich unter seinen Händen und offenbarten die häßliche, verschorfte Wunde auf der Brust. Ältere Verletzungen glänzten im Schein der Flammen, und die wundgeriebenen Handgelenke legten Zeugnis über eine brutale Gefangennahme vor nicht langer Zeit ab.
    »Bei Ath!« Beißstangen und Steigbügel klirrten aneinander, als er seine Last auf einem Stuhl ablegte. »Warum? Womöglich ist er ein Ausgestoßener oder ein Verbrecher, wenn er so mißhandelt wurde.«
    »Weder noch.« Der brüske Tonfall des Zauberers ließ keine weiteren Fragen zu.
    Besorgt beugte sich Dakar über den s’Ilessid. Schnell erkannte er voller Erleichterung, daß dem Prinzen nichts weiter fehlte. Er litt lediglich unter der Entkräftung durch die beschwerliche Wüstenreise. Mit einem für ihn außergewöhnlichen Eifer sorgte er dafür, daß sein Schützling gesäubert und auf die bequeme Pritsche im anderen Raum gebracht wurde. Als er zum Herd zurückkehrte, fand er Asandir noch immer beschäftigt vor.
    Dakar ließ seine Körpermasse auf den nächststehenden Stuhl fallen und verzog das Gesicht, als sich seine steifen Muskeln meldeten. Unterkühlt, naß und müde wie er war, brachte er kein Verständnis dafür auf, daß Asandir seine Zeit mit einem Diener verschwendete, obwohl die Westtor-Prophezeiung bereits durch den s’Ilessid im Nebenraum allein erfüllt wurde. Nach kurzer Überlegung triumphierte seine Ungeduld über die Besonnenheit, und er fragte: »Ist er diesen Ärger tatsächlich wert?«
    Der Blick des Zauberers streifte ihn wie Eiswasser. Dann entgegnete er ausweichend: »Hast du sein Schwert bemerkt?«
    Dakar streckte ein Bein aus und wühlte mit dem Fuß in dem unordentlichen Kleiderhaufen neben Asandirs Arm. Abgenutzte Kleider fielen zur Seite und gaben den Blick auf den grauglänzenden Griff des Schwertes frei. Dann entdeckte er den Smaragd, der zu kunstvoll gefaßt war, als daß dies von Menschenhand hätte geschehen sein können. Dakar runzelte eher verwirrt als verstehend die Stirn. Wie sollte denn so ein Bauer in den Besitz eines Schwertes kommen, das von paravianischen Händen geschmiedet worden war?
    »Richtig, wie sollte er, lieber Prophet?« sagte Asandir laut.
    Dakar fluchte aufgebracht. Der Schlafmangel lähmte seinen Geist. Alle drei paravianischen Rassen, die Einhörner, die Zentauren und die Sonnenkinder waren seit dem dunstigen Sieg des Nebelgeistes verschwunden. Das Schwert aber war ein unmögliches Paradoxon. Angesichts seiner beachtlichen Wette im Zusammenhang mit dieser besonders wichtigen Prophezeiung reagierte der Wahnsinnige Prophet in diesem Augenblick aufgebracht. »Dharkaron möge Euch holen. Ich bin es leid, zu raten. Könnt Ihr mir nicht einmal in einem ganzen Jahrhundert ganz einfach sagen, worum es geht?«
    So unglaublich es auch war, sein Ausbruch zog lediglich Stille nach sich. Vorsichtig blickte Dakar auf und sah, daß sich sein Meister noch immer über den Renegaten von Dascen Elur beugte.

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