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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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hatte, beeilten sich Lysaer und Arithon nun mit dem Ankleiden. Diese Kleider paßten besser, als die, die sie zuvor von dem Holzfäller entliehen hatten; die gefütterten Wollmäntel mit den polierten Muschelhaken waren für eine Reise durch kalte, unfreundliche Witterung ausgelegt. Niemand verriet den Halbbrüdern, woher diese Dinge gekommen waren, und bald darauf fanden sie sich gemeinsam mit ihren Wohltätern in einer feuchten, unwegsamen Wildnis wieder.
    Asandir führte sie zu einer nebelverhangenen Schlucht am Rande des Waldes und wies sie an, dort zu warten. Dann stiegen er und der Wahnsinnige Prophet auf ihre Pferde und ritten in die Stadt Westende, Dakar, um zusätzliche Pferde auf dem Markt zu erstehen, und Asandir, um seine eigene, nicht näher spezifizierte Ausrüstung zu vervollständigen.
    Mit der Dämmerung zog ein grauer Morgen herauf, angefüllt mit grenzenloser Langeweile. Arithon setzte sich mit dem Rücken an den gewundenen Stamm einer Eiche. Lysaer verspürte keine Lust, ihn zu fragen, ob er ganz einfach ruhte oder sich magischer Meditation hingab. Sich selbst überlassen, spazierte der Prinz los und sah sich in ihrer Umgebung um. Der Wald war unendlich alt und dicht genug, um das Unterholz zurückzutreiben, doch der Mangel an Sonnenlicht hatte die Bäume verkrüppeln lassen. Knorrige Stämme wurden von weißen Pilzschichten überwuchert. Wurzeln im grünen Moos traten aus dem Erdboden hervor und drängten sich in die Ritzen des massiven Felsgesteins. Fremdartige Vögel flatterten zwischen den Ästen der Bäume umher, und ihr braunweißes Gefieder kontrastierte mit dem strahlendroten Kamm der Hähne.
    Erschüttert über die Teppiche aus Moder und verrotteter Rinde und die stete, von den gelben, kranken Blättern herabtropfende Nässe, schlug Lysaer verärgert nach einem Moskito, der sich an seinem Nacken zu vergnügen gedachte. »Wo, in Daelions Namen, bleibt Dakar? Auch wenn er einen gewaltigen Bauch zu schleppen hat, müßte er längst zurück sein.«
    Arithon erhob sich und betrachtete seinen Halbbruder ruhig. »Ein Besuch auf dem Herbstmarkt dürfte deine Frage wahrscheinlich beantworten.«
    Obwohl der dichte Nebel die Schärfe seines Tonfalles schluckte, blickte Lysaer erstaunt auf. Asandir hatte sie ganz eindeutig angewiesen, die Rückkehr des Wahnsinnigen Propheten abzuwarten, ehe sie sich auf den Weg zu der Brücke über den Melorfluß machen sollten, an der sie einander wiedertreffen wollten, sobald die Glocken der Stadt zum Mittag läuteten.
    Angewidert fuhr Arithon fort: »Willst du etwa hierbleiben und die Mücken futtern? Ich werde auf jeden Fall gehen.«
    Voller Unbehagen bedauerte Lysaer seine Unmutsäußerung. »Sicher hatte Asandir seine Gründe, uns hier zurückzulassen.« Die Art, wie Arithon seine Lippen kräuselte, erfüllte seinen Halbbruder mit Sorge.
    »Das weiß ich auch.« Ein verwegenes Grinsen huschte über seine Lippen. »Ich will wissen, warum. Außerdem gibt uns Dakars Verspätung eine hervorragende Ausrede, das herauszufinden. Kommst du nun mit?«
    Lysaer lachte laut. Vergessen war seine Unsicherheit. Nach all den Beschränkungen, die die Geheimnislehre Arithon auferlegt hatte, empfand Lysaer die eigenwillige Haltung seines Halbbruders als ansteckend. »Sollen die Moskitos verhungern. Was willst du dem Zauberer erzählen?«
    Arithon entfernte sich von dem Baumstamm. »Asandir?« Er schob die Finger hinter seinen Waffengürtel. »Ich werde ihm die Wahrheit erzählen. Ich möchte wetten, daß wir unseren Propheten mit dem Gesicht nach unten in der Gosse finden werden, betrunken.«
    »Dagegen wette ich nicht.« Lysaer schob sich durch das Dickicht, das am Waldrand wuchs. Seine Stimmung war nun gut genug, das Wasser zu ertragen, das durch den Kragen seiner Tunika über seinen Nacken rann. »Laß uns lieber wetten, wie lange es dauert, bis Dakar seinen fetten Kadaver wieder ausgenüchtert hat.«
    »Diese Wette werden wir beide verlieren«, entgegnete Arithon scharf. »Keiner von uns hat genug Zeit, um so lange auf der Straße zu warten.« Beachtlich flink duckte er sich unter dem Zweig hinweg, den sein Bruder direkt vor seinem Gesicht losgelassen hatte, und drängte sich an ihm vorbei in das Gebüsch.
    Schwer und feucht hing der Nebel über dem Land, doch ein Windstoß enthüllte ihren Blicken einen Abhang, der sich zu einer Küste aus Felsgestein und sanften Sandebenen hinabzog. Flankiert von einer moosüberwucherten Landungsbrücke zog sich ein Meeresarm landeinwärts.

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