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Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 01 - Meister der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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Die mit Pfeilern gegen die sandige Küste abgestützten Mauern von Westende erinnerten an einen Haufen Bauklötze, der verloren vor der anrollenden Flut lag. Von ihrem erhöhten Standpunkt aus konnten die Halbbrüder kaum etwas außer den plumpen Gebäuden aus grauem Stein erkennen, deren Dächer von bunten Giebeln, Türmchen und hohen, mit Geländern umgebenen Baikonen versehen waren. Die Verteidigungsanlagen der Stadt waren verfallen, abgesehen von einem Mauerstück mit erst kürzlich renovierten Schießscharten auf der landeinwärts gerichteten Seite.
    »Ath«, murmelte Lysaer. »Was für ein elender Felshaufen. Wenn die Menschen hier ebenso düster sind wie ihre Stadt, dann wundert es mich nicht, daß Dakar säuft.«
    Doch da, wo der Prinz nur trüben Granit sah, erkannte Arithon mit den geübten Augen eines Seemannes noch den dem Verfall anheimgegebenen Seehafen. Seit die Kunst der Navigation dem Nebelgeist zum Opfer gefallen war, legten die großen Schiffe hier nicht mehr an. Die Handelshäuser wurden nun von den Fischern bewohnt, und auf den Kais stapelten sich Köderfässer und Fangnetze.
    Der Nebel senkte sich weiter und reduzierte die Stadt zuerst zu einer düsteren Kontur und schließlich zu einer bloßen Erinnerung. Lysaer schauderte. Sein plötzlicher Enthusiasmus verließ ihn wieder. »Hast du zufällig gesehen, wo das Stadttor ist?«
    »Im Westen. Dort gibt es eine Straße.« Nachdenklich trat Arithon den Weg an. Als hätten sie geahnt, wie spät es war, begannen unten in der Stadt in diesem Moment die Glocken zur Mittagsstunde zu läuten. »Unser Prophet ist in der Tat spät dran. Kommst du?«
    Lysaer nickte, kratzte sich den festgetrockneten Schlamm mit den Innenkanten der Stiefel von den Sohlen und beeilte sich, Schritt zu halten. »Asandir wird nicht besonders erfreut sein.«
    »Bestimmt nicht«, sagte Arithon und verzog das Gesicht. »Also sollten wir uns beeilen, damit wir den Spaß nicht verpassen.«
    Auf der Straße vor den Stadttoren bewegte sich ein Wagenzug durch die Schafweiden und Strauchreihen. Statt dort leichter voranzukommen, erfuhr Lysaer eine unangenehme Erinnerung an seinen verlorenen Rang. Gewohnt, zu Pferd zu reisen, stolperte er über den Unrat und die Furchen, die die Wagen hinterlassen hatten, wobei er sich weitaus unbeholfener als alle anderen anstellte, die zu Fuß unterwegs waren. Gefangen in der Eigenschaft aller Zauberer, möglichst wenig aufzufallen, erkannte Arithon indes erleichtert, daß die Kleider, die sie erhalten hatten, ganz offensichtlich nicht ungewöhnlich waren. Gemeinsam mit seinem Halbbruder passierte er die Wachen vor dem efeuüberwucherten Tor, ohne die geringste Aufmerksamkeit zu erregen.
    Die gepflasterten Straßen im Inneren der Stadtmauern waren uneben, schmutzig und voller stinkender Pfützen. Zu beiden Seiten drängten sich die Häuser mit ihren undichten Traufen und vorstehenden Baikonen aneinander. Möwenkot bedeckte die Mauervorsprünge. Angelaufene Zinktalismane von unbekannter Bedeutung baumelten in den Schatten der Hauseingänge. Während sich die zunächst breite Straße verengte und auf eine Kreuzung zulief, wich Lysaer einem Kübel Wasser aus, der aus einem Fenster über ihnen gegossen wurde. »Furchtbarer Ort«, murrte er. »Man kann sich wirklich nicht wünschen, hier Rast zu machen, um die Aussicht zu genießen.«
    Arithon hörte auf, die Umgebung zu betrachten, und sagte: »Soll das heißen, daß du dich nach dem richtigen Weg aus diesem Irrgarten erkundigen willst?«
    Lysaer schob seine Kapuze zurück und lauschte, als einige Damen schwatzend vorübergingen. Ihre Sprache klang ein wenig undeutlich, die Vokale hörten sich flach und die harten Konsonanten schnarrend an. »So schwer ist dieser Dialekt nicht. Nachts und betrunken könnte ich bestimmt mitreden, ohne aufzufallen.«
    Die klareren Laute seiner Worte veranlaßten eine der Frauen, sich umzudrehen. Der Gesichtsausdruck unter ihrem Kopftuch zeigte deutlichen Schrecken. Mit einem rüden Ausruf packte sie ihre Begleiterin am Ellbogen und eilte an ihnen vorbei in einen Innenhof. Arithon grinste, angesichts Lysaers Bestürzung, während hinter den Frauen ein Tor mit lautem Klirren verriegelt wurde. »Versuch, ein bißchen weniger aufzufallen«, schlug er vor.
    Mit einem gekränkten Ausdruck klappte Lysaer den Mund zu. Er war eher an Damen gewöhnt, die ihn umschmeichelten. Nun glitt er geschmeidig an einer Pfütze vorbei und näherte sich einem halbverfallenen Stand, an dem Würste

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