Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
unvorbereiteter Teil seiner Selbst war Rinde und Blätter und frühlingshafter Lebenssaft, frühzeitig von der Pfahlwurzel getrennt durch die Hiebe geschärften Stahles. Der Schock überwältigte vorübergehend seine Fähigkeiten. Er kämpfte, stolperte leicht, versuchte, sein gemartertes Bewußtsein zu befreien.
Getrieben, nicht von seinen Gedanken, sondern von reinem Reflex, eilte Halliron zu ihm und packte den Prinzen am Ellbogen, um seine unsicheren Schritte zu stützen.
Die Berührung ließ Arithon aufschrecken. Sein Kopf ruckte hoch, zuckte herum, und in den grünen Augen erblickte der Meisterbarde ein Flackern, das wie gedämpfter Zorn aussah. Der Eindruck war falsch. Jenseits der Feindseligkeit erkannte Halliron etwas, das ihm wie Neid erschien; unbestreitbar richtete sich dieser Groll voll und ganz gegen ihn persönlich.
Hallirons Schrecken veranlaßte ihn, loszulassen, gleichzeitig zuckte Arithon instinktiv zurück, was dazu führte, daß die sensiblen Finger des Musikers einen flüchtigen Eindruck aufnehmen konnten. Der Unterarm unter der Seide war drahtig und trainiert, absolut nicht von der Konstitution jenes weichlichen Lebemannes, welcher der Prinz zu sein vorgab.
Arithon wirbelte herum, um einen Gesichtsausdruck zu verbergen, für dessen Anblick Halliron mit Gold bezahlt hätte. Stille, angefüllt mit Geheimnissen, lag zwischen den beiden Männern, und als sei die Bürde plötzlich zu schwer geworden, setzte sich der Prinz abrupt nieder. Seine Finger betasteten die Kante eines Felsens, die sich gleich einem weißlichen, moosverkrusteten Juwel in der armseligen Umklammerung alter Wurzeln verbargen. »Es tut mir leid.« Seine Entschuldigung erfolgte zu rasch und klang zu kalt. »Ich dachte, ich wäre allein.«
Halliron schluckte seine Vorstellung mit zusammengekniffenen, braunen Augen und verließ sich auf seine Intuition. »Ihr habt Schutzzauber aufgebaut, und nicht allein, um die Flötentöne zu verbergen.«
»Selbst wenn es so wäre, ginge Euch das nichts an.« Arithon ließ die Hände kraftlos in das trockene Gras sinken, das vom Schneefall des vergangenen Winters gebrochen war und nun an gebündelte Knochen toter Vögel erinnerte.
Er hatte seine Selbstkontrolle zurückerlangt. Zumindest zitterte er nicht länger im Klang der Axthiebe. Nur die Erde erbebte, während ein Baum nach dem anderen den Boden erschütterte.
Einen Augenblick später sagte der Barde: »Wenn Ihr wollt, daß die Clanfrauen von Deshir mit euch nichts zu tun haben wollen, solltet Ihr sie in Ruhe lassen.«
Damit hatte er einen Nerv getroffen. Arithons Lächeln war übertrieben breit und geradezu unangenehm heiter. »Laßt statt dessen mich in Ruhe. Eure Auffassungskraft wirkt ebenso wie verstreute Nadeln: eine schmerzhafte Falle für Fehltritte.«
Halliron ließ sich nicht leicht aus der Ruhe bringen. Die Jahre der Wanderschaft und der Umgang mit senilen Förderern und ungestümen Neidern hatten ihn gelehrt, schonend mit der menschlichen Natur umzugehen, um Mißverständnisse gleich einem Knoten in gesponnener Wolle zu entwirren. Verwirrt über Arithons Schweigsamkeit, gab er dennoch nicht nach, selbst als Arithon versuchte, ihm zu entkommen und zu ihrem Pfad zurückzukehren.
Es gab kein Entkommen. Halliron hatte ihn zwischen einem undurchdringlichen Dickicht und der unnachgiebigen Oberfläche eines Felsens in die Enge getrieben.
So streitlustig sein Verhalten auch wirkte, verfügte der Teir’s’Ffalenn doch nicht über die Nerven oder den notwendigen Zorn, sich mit Gewalt an einem alten Mann vorbeizudrängen.
»Ich könnte fragen«, sagte Halliron im gedehnten Dialekt Shands, der sich gelegentlich aus seiner Kindheit wieder in Erinnerung brachte, »warum Ihr mich bei unserer ersten Begegnung behandelt habt, als stellte ich eine Bedrohung für Euch dar.«
»Weil«, begann Arithon, ehe er ganz impulsiv und ohne Stocken zur paravianischen Sprache wechselte. »Cuel ean i murdain ei dath-tol na soaren«, was übersetzt bedeutete: »Ihr seid der Feind, den zu treffen ich nie erwartet hatte.«
Seine Aussprache war makellos. Und diesmal ließ sich die Verbitterung nicht verleugnen. Halliron trat zur Seite, ehe er doch noch mit Gewalt vertrieben werden konnte.
Halliron ließ sich von Arithons Schauspiel nicht in die Irre führen. Er sah zu, wie der Nachfahre der ermordeten Hohekönige von Rathain davonschritt. Dieser Mann war nicht wütend.
So verzweifelt er auch diesen Eindruck zu vermitteln suchte, konnte er doch vor
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