Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
zur Vergeltung, sondern sagte rasch: »Ich bin in einem Land aufgewachsen, das dem räuberischen Terror derer zu s’Ffalenn ausgeliefert war. Wir in Amroth verfügten über Reichtümer, gute Schiffe, geschickte Männer und starke Waffen, uns zu verteidigen. Wir hätten ohne Schwierigkeiten siegen müssen, denn die Insel Karthan, über die die Piratenkönige herrschten, war kaum mehr als ein Sandhaufen. Die Menschen waren arm, hatten wenige Mittel und noch weniger Männer. Doch das, was sie hatten, das nutzten sie mit der Durchtriebenheit von Dämonen.«
Er schwieg für einen Augenblick. Talith sah, daß sich seine Hände zu Fäusten geballt hatten. Unsicher, welche Probleme es aufwerfen mochte, wenn sie ihn in seiner Anspannung stören würde, wartete sie geduldig, war doch seine erhabene Hingabe an die Pflicht ungewöhnlich genug, ihre Neugier zu wecken.
Alsbald sprach er weiter. »Das Morden und das Leid hielt über viele Generationen an. Meine beiden Onkel wurden in eine Falle gelockt und uns als Pökelfleisch zur Bestattung zurückgeschickt. Der Kummer raubte meinem Vater beinahe den Verstand. Er verlor eine Frau, vor meiner Mutter. Zwei Töchter, die meine Halbschwestern gewesen wären, hätte ich sie nur kennenlernen dürfen, starben mit ihr. Niemand hat mir erzählt, daß es sie gegeben hat, bis ich zwölf Jahre alt war und meines Vaters Seneschall gedrängt hatte, mir zu erklären, warum es in der königlichen Gruft ein unbenanntes Grabgewölbe gab.«
Lysaer atmete tief durch. »Ich erinnere mich, daß während meines ganzen Lebens stets Schlachten geführt, Flotten und Generäle ausgesandt wurden, um die s’Ffalenns auszulöschen. Wir erreichten wenig, trotz all der Mühen. Es gelang uns, Dörfer niederzubrennen, armselige Barackensiedlungen, deren Verlust kaum zu berühren schien. Karthanische Späher entdeckten frühzeitig unsere Flotten und warnten die Menschen, damit sie rechtzeitig fliehen konnten. Männer, die an Land geschickt wurden, um den Flüchtigen zu folgen, durchstreiften die Einöde vergeblich. Kämpfe auf See verliefen ebenso unselig. Unsere Schiffe wurden in ermüdende Verfolgungsjagden getrieben und erlitten Schiffbruch in seichtem Wasser, weil die Zeichner, die einst die Karten angefertigt hatten, mit falschen Informationen versorgt worden waren. Unsere Kapitäne und Mannschaften starben im Kampf gegen windstille Küstenzonen inmitten eines Sturmes. Sie starben an Durst, Hunger, bei Meutereien und im Feuer, denn die Waffe der s’Ffalenns war eine Raffinesse, so unerschöpflich wie die Gezeiten. Die Piratenprinzen ergötzten sich an den Fehden. Ihre hinterhältigen Tricks wiederholten sich nie, und sie segelten niemals nach einem vorhersagbaren Muster.«
Die Erinnerung trieb Lysaer dazu, von der Balustrade abzurücken und sich stolz aufzurichten. »Diese Kapitäne der Vergangenheit waren nur Menschen, durchtrieben und begierig auf Blutvergießen. Der letzte ihres Geschlechts, der s’Ffalenn in Athera, ist weit mehr. Er wurde als der Sohn einer Zauberin geboren und in den geheimnisvollen Mächten unterrichtet. Ein Zauberer, ein Herrscher über die Schatten, dessen Heimtücke die Widerhaken der Magie trägt.«
Endlich wandte er den Blick und schaute Taliths Augen voller tiefer Offenheit. »Arithon hat selbst mich getäuscht, gnädige Frau. Er hat mich dazu gebracht, ihn für harmlos zu halten, und sich so meine ehrliche Freundschaft erschlichen. Hätte nicht Euer Bruder die geeigneten Fragen gestellt, hätte er nicht meine Zweifel wiedererweckt, dann hätte vielleicht niemand rechtzeitig gehandelt. Arithon hätte vielleicht niemals vor Etarra gestanden und auf dem großen Platz seine wahre Gestalt gezeigt.«
Lysaer beendete seine Ansprache in einem Ton schmerzhaften Unbehagens. »Das ist es, was ich Euren Leuten nicht zu vermitteln vermag.«
Gefangen in einer Faszination, fremdartig genug, ihr Schaudern zu bereiten, sagte Talith: »Aber Ihr seid der Herr des Lichts. Ihr könnt die Hexerei bekämpfen.«
»Ich bin ein Mensch«, korrigierte Lysaer. »Und Menschen sind fehlbar.«
Unsicherheit beeinflußte Taliths Verzauberung. Sie war tief in ihrem Inneren betroffen und überrascht von der Erkenntnis, daß sie seine Hände an ihrem Leib spüren wollte.
»Ihr werdet zurückkehren. Diegans Heer wird den Kopf des schwarzen Zauberers bekommen.«
Der Wind trieb Maulbeerbaumblüten zwischen ihnen hindurch. Sie bestäubten Taliths Wangen und verfingen sich in ihrem Haar und auf den
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