Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Lyranthe zu holen, ergriff er erneut die Karaffe und nutzte die Gelegenheit, Dania zu ärgern.
»Wenn es einem Mann nicht gutgeht, dann muß er noch lange nicht krank sein.« Er trank, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Dania ließ sich nicht einschüchtern. Sie hegte den Verdacht, daß die hitzige Überheblichkeit des Kriegerhauptmannes doch zumindest eine Spur der Eifersucht barg. Vor dem Tag ihrer Hochzeit hatte Caolle sie nie zum Objekt seiner Gehässigkeiten gemacht. Ihr Gatte hielt sich wohlwissend zurück, denn niemand konnte den Kriegerhauptmann besser zur Ordnung rufen als seine Frau.
Dania preßte die Lippen zusammen, als sie erkannte, daß Caolles Abneigung gegen Arithon nichts anderes war: Er würde selbst einen Hund mit Verachtung strafen, wenn er es wagte, Steivens Zuneigung zu erringen. Als wäre er nur ein arroganter älterer Bruder, streckte Dania die Hand aus und entriß dem ergrauten Kriegerhauptmann die Karaffe.
»Und wovon meinst du, soll seine Hoheit betrunken sein, Flußwasser?«
Caolle würgte, um ein unpassendes Gelächter zu unterdrücken. »Er hat einen schwachen Kopf, unser königlicher Nachfahr’, oder vielleicht nur einen schwachen Magen.«
Die Diskussion erfuhr ein rasches Ende, als Halliron aus der Ecke des Raumes schrie: »Ath, Schöpfer, wie lange ist er schon in diesem Zustand?«
Steiven wirbelte automatisch herum; Caolle hingegen mit wohlerwogener Bedächtigkeit. Halbverloren in den tiefen Schatten beugte sich der Meisterbarde über Arithon, eine Hand um das königliche Handgelenk gelegt, suchte er voller Sorge nach einem Puls.
»Beim Feuer von Sithaer, Mann.« Caolle rieb sich die Augen, die vor Müdigkeit und Überanstrengung brannten. »Ihr tut ja gerade so, als würde er sterben. Er ist doch lediglich eingeschlafen.«
»Er könnte sterben«, entgegnete Halliron, wobei seine geübte Stimme einen sarkastischen Tonfall annahm. »Habt Ihr denn den Geruch nicht bemerkt, der an ihm haftet?«
»Stimmt etwas nicht?« Steiven ließ die Hand sinken, die er um Danias Hüfte gelegt hatte, als seine Gattin Anstalten machte, neue Kerzen zu entzünden.
Halliron gab einen Zorneslaut von sich. Als Caolle nur unverschämt nichtssagend dreinschaute und Steivens Miene nichts als Verwirrung widerspiegelte, packte der Meisterbarde Arithons andere Hand und zerrte ihn in eine halbsitzende Position, die etliche Kissen zur Stütze erforderlich machte. Während seine Finger damit beschäftigt waren, die Ärmelstulpen des Prinzen aufzuschnüren, sagte er: »Habt Ihr je etwas über das Kraut des Wissens gelesen? Besonders über die Blätter einer Gebirgsblume namens Tienelle?«
»Sehergras?« Aufgeschreckt entriß Steiven Caolle die Karaffe und durchquerte eilends das Zelt. »Möge Ath uns beistehen. Nur nicht das Narkotikum, das die Zauberer benutzen …« Er kniete nieder und berührte das kühle Fleisch des Prinzen. Plötzlich ergaben ganz unbedeutende Puzzlestücke ein Bild der erschreckenden und unerfreulichen Wahrheit. Der Prinz hatte von Beobachtungen berichtet. Wenn Tienellekraut ein Teil seiner Vorgehensweise gewesen war, so würde es nicht nur Visionen herbeiführen, sondern auch giftinduzierte Krankheit, gegen die es kein bekanntes Gegengift gab. Verärgert über des Prinzen Verschwiegenheit und ebenso über seine eigene lahme Erkenntnis, entfuhr Steiven ein Ausdruck, den er nie und nimmer unter seinem Dach, geschweige denn in Gegenwart seines Weibes benutzt hatte.
»Er hat uns erzählt, er sei darin geschult«, protestierte Caolle.
»Das muß er auch. Ich bezweifle, daß er vorhatte, uns durch Selbstmord zu verlassen.« Steiven hielt sich mit Mitleidsbekundungen zurück, während Caolle begann, auf und ab zu laufen.
Halliron fuhr mit seinen Untersuchungen fort, und nur die gnädige Frau Dania konnte die Tiefe seiner Sorge ermessen. Ihre Hände zitterten, während sie zum zweiten Mal in dieser Nacht eine Kerze nach der anderen entzündete, und der Meisterbarde erkundigte sich mißbilligend: »Wie lange habt Ihr gezaudert, nur um über ihn herzuziehen und seine Männlichkeit in Frage zu stellen?«
»Laßt das jetzt«, unterbrach Steiven. »Sagt uns nur, was getan werden muß.«
Gnadenlos und mit blutleeren Lippen verzog der Meisterbarde seinen Mund zu einem Lächeln, dazu gedacht, Caolle mitten im Schritt aufzuhalten. »Weckt ihn auf und fragt ihn«, schlug er vor. »Ich bin gewiß kein Zauberer. Weder meine Klänge noch Eure kühne Kampfeskunst sind geeignet, diesem
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