Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
durch die Luft und bohrte sich durch die Schleier tiefhängender Blätter. Durch eine Wolke abgerissener Blätter und von der Sonne kaum durchdrungener Dämmerung versuchte er den Mann zu entdecken, der ihn gerufen hatte, konnte ihn aber nirgends finden.
Statt dessen fiel sein Blick auf eine Gruppe Kopfjäger, angeführt von einem pockennarbigen Mann mit einem schlammverkrusteten Kettenhemd und einem anderen, groß, aufrecht, elegant, trotz seines zerfetzten Wappenrockes mit dem güldenen Wahrzeichen, das ebenso hell aufleuchtete wie sein Haar.
Lysaer.
Sie entdeckten einander in demselben Moment.
Arithon fühlte, wie die Luft seinen Lungen entwich, als hätte er einen Schlag erhalten. Dann schaltete Desh-Thieres Fluch alle Vernunft aus. Er rannte, die Luft prickelte auf seinen senkrechtstehenden Nackenhaaren wie die statische Aufladung vor einem Gewittersturm. Das Schwert erhoben, die Lippen zu einem Ausdruck primitiven Hasses verzogen, stürmte er voran, um seinen Halbbruder zu überwältigen, ohne Rücksicht auf alles, was ihm unterwegs begegnete.
Ein gewaltiger Blitz ließ die Bäume erstrahlen. Lysaer, so sehr von dem Fluch getroffen wie er selbst, hatte seine Gabe des Lichts gerufen.
Arithon stieß ein rauhes Gelächter aus. Sie waren ebenbürtig. Kein Blitz, keine Flamme, keine Feuersbrunst, die seine Schatten nicht im Zaum halten konnten. Strakewald konnte brennen oder zu einem ausgedörrten Ödland gefroren werden, und all ihre Anhänger und Armeen würden wie Spreu im Wind der gewaltigen Vernichtung zum Opfer fallen. Am Ende würden Lysaer und er selbst einander mit gezogenen Klingen gegenüberstehen, und niemand wäre mehr am Leben und könnte sie aufhalten.
Lysaer hob seine rechte Hand, und die Kopfjäger in seiner Begleitung verteilten sich.
Seine eigene Begierde auskostend, wurde Arithon langsamer. Er fühlte eine Berührung an seiner Schulter, hörte Gebrüll in seinen Ohren. Besessen von dem Fluch schüttelte er die Behinderung ab und schlug mit dem Handrücken nach der Person, die ihn aufgehalten hatte, wer auch immer es sein mochte.
Als der Lichtstrahl sich von Lysaers Faust löste, ließ er ihn kommen, ein gewaltiger Peitschenschlag blendender Helle, der den Wald in zwei Teile zerlegte. Im hellen Schein erkannte er, daß die Männer in Lysaers Nähe niedergekniet waren und weißlich glänzende Waffen erhoben hielten. Mit unvermindertem Triumphgefühl erkannte Arithon die Armbrüste.
Arithon spielte mit ihnen, benutzte seine magisch geschulte Finesse, um Schatten zu wirken, so feinsinnig, daß sein Feind ihnen nie gewachsen sein konnte. Die zielenden Kopfjäger verloren so vollkommen ihr Sehvermögen, daß es zweifelhaft schien, ob sie je hatten sehen können.
Manche ließen schreiend ihre Waffen sinken. Die anderen schossen ein wildes Sperrfeuer ungezielter Pfeile ab, die sich zischend durch eine Walze zunehmender Glut bohrten.
Arithon lachte und sah zu, wie Lysaers eigenes Feuer die Pfeile vollständig verbrannte. Dann stoppte er die Energie, die sich gegen ihn richtete, mit einem sauberen Schleier aus Schatten, so wie er einst den Feuerstoß des angreifenden Khadrim abgewehrt hatte. Es kümmerte ihn wenig, daß seine überanstrengten Nerven seinen Leib erzittern ließen, weidete er sich doch in vollen Zügen daran, alles Licht zu ersticken, als wäre es nie dagewesen.
Die Erde erbebte unter einem gewaltigen Donnerhall. Währenddessen stand Arithon aufrecht da, von den magischen Fesseln getrieben, die ihn versklavt hatten, und enthielt sich aller Gegenmaßnahmen. Stahl versprach die schnellste Befriedigung, und mit Alithiel in Händen wartete Arithon ungerührt am Rande der zu Kohle verbrannten Grasnarbe.
»Willst du kämpfen?« rief er höhnisch. »Oder willst du außer Reichweite bleiben und mit deinem Feuerwerk spielen, nur um Zeit zu verschwenden und anzugeben?«
»Schandfleck!« entgegnete Lysaer ebenfalls brüllend. Sein sonst so attraktives Gesicht war zu einer Maske des Hasses verzerrt. Schnittwunden und Prellungen taten ein Übriges, ihn wie wahnsinnig aussehen zu lassen. »Weber der Dunkelheit und Kinderschänder. Einem Verbrecher wie dir gebührt keine Ehre.«
Ohne eine Miene zu verziehen, trat Arithon einen Schritt vor, und als allmählich die Distanz kleiner wurde und die Kopfjäger voller Furcht davonstolperten, erkannte er, daß Lysaer nicht gesund aussah. Sein linker Arm war unter dem schmutzigen Samt verbunden, und er hing in einer Schlinge, als wäre er verletzt.
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