Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
Vom Netzwerk:
erneut über die sicheren Grenzen hinauszugehen und der Einheit der Schöpfung weiter Gewalt zuzufügen, für die er später teuer würde bezahlen müssen.
    Daran durfte er nicht denken. Jetzt war nichts anderes wichtig, als Jierets Leben und nach ihm das all der anderen Clanmitglieder, die noch gerettet werden konnten.
    Klamm vor Kälte und ausgehöhlt von einer Erschöpfung, die wie die Nachwirkungen eines schweren Fiebers an ihm zehrte, legte Arithon die Wange an den Stamm des Baumes. Er schloß die Augen, atmete den pfefferähnlichen Duft feuchter Rinde und ließ diesen Eindruck mit seinem Sein verschmelzen. Ruhe erfüllte seinen Geist. Seine verkrampften Hände entspannten sich und ertasteten den schläfrigen Fluß des Lebenssaftes. Seine Gedanken wurden zu einem Flüstern der Blätter, dem Flug der pollentragenden Bienen im Sonnenschein, den sich entfaltenden Keimlingen, die mit jedem Jahr ein wenig kräftiger wurden, bis sie schließlich eine stattliche Krone und starke Äste hervorbringen würden. Sein Bewußtsein zog herab in die dichte, schwarze Tiefe der Erde und das fest verankerte Netzwerk der Pfahlwurzeln.
    Durch die untadelige Essenz des lebendigen Baumes wirkte Arithon seinen Zauber. Wie die Knospen, die Blätter und Zweige, die alle von dem Baum fort zu neuem Wachstum strebten, spann er zarte Bannketten, die von dem Stamm fortstrebten, der nun jedem Kämpfer, der sein Holz nutzen würde, sich den Rücken freizuhalten, verschonen würde. Doch alle Angreifer, die auf den Baum zukamen, sollten in eine subtile Falle geraten, ihre Augen sollten abgelenkt und ihre Gedanken träge wie Sirup werden, ehe sie schließlich die schläfrige Fließgeschwindigkeit des Harzes annahmen.
    Ein menschlicher Geist, umgarnt von dem Bewußtsein eines Baumes, mußte schlafen, gefangen in Träumen, die die Zeit in erhabenem Rhythmus maßen, Träumen von klarem Sonnenschein und silbernem Schnee, von Jahreszeiten, die gleich den regenbenetzten Blättern im Herbstwind vorüberschwebten.
    Was das bedeutete, das wußte Arithon nur zu gut, daß die Deshans, die noch auf den Beinen waren, ihre Opfer in dem Sekundenbruchteil erschlagen würden, in dem ihre Reflexe erlahmten und ihre Schwerter niedersanken. Anders als bei den Städtern, die im angrenzenden Tal im Labyrinth der Schatten gefangen waren, würde es für diese Soldaten keine Gnade geben. Ihr Schicksal lag nicht mehr in ihren Händen, und es würde für sie nicht einen einzigen Augenblick geben, in dem sie noch beschließen konnten, zurückzuweichen.
    Mühevoll löste Arithon sein Bewußtsein aus dem Baum, der ihn mit einer Zuflucht sonnendurchfluteter Vergessenheit lockte. Zu schnell öffnete er die Augen. Ein Teil von ihm, der noch immer mit dem trägen Fluß des Lebenssaftes und dem Frieden der Erde selbst verbunden war, wurde gewaltsam in den Lärm und den Blutgeruch des animalischen Gemetzels gerissen. Unter ihm verschwanden die Wurzeln der Buche unter den Leibern toter Männer, in deren weit aufgerissenen, träumerischen Augen sich Rinde und Äste und Blätter vor dem Hintergrund des blauen Himmels spiegelten.
    Arithon würgte und zwang sich, seine gereizten Nerven wieder unter Kontrolle zu bekommen. Mit schweißnassen Händen umklammerte er den Ast und machte sich voller Abscheu und Schuldgefühlen daran, die Früchte seiner Beschwörung zu nutzen.
    Madreigh lag verwundet am Boden, Jieret stand neben ihm, Alithiel, dessen Klinge blutverschmiert war, noch immer fest in Händen. Zwei Clankrieger, beide verwundet, waren noch auf den Beinen, während außerhalb des schützenden Baldachins der Buche die Feinde auf die Knie fielen, verloren waren für ihren Geist und ihre Sinne. Hinter jenen hielten andere Kopfjäger inne, erfüllt von Furcht über jene unsichtbare Macht, die ihre Kameraden niedergeschmettert hatte. Bald schon würde Zorn ihre Befürchtungen zerstreuen und sie zu einer energischen Vergeltung treiben.
    »Seht euch nicht um. Seht den Baum nicht an«, wies Arithon die überlebenden Clankrieger an. Dann bat er seine tauben Glieder, sich zu bewegen, und probierte, ob seine zitternden Finger noch zu greifen imstande waren. Irgendwie gelang es ihm, sich von dem Baum herunterzuschwingen. Hände versuchten ihn zu stützen, als er schwankte. Ungeduldig schob er sie von sich. »Glaubt nicht, was ihr seht. Die Verstärkungstruppen werden allein mein Werk sein.« Er wand seine klebrige Klinge aus Jierets Griff. »Lauft, und seht euch auf keinen Fall um.« Als der

Weitere Kostenlose Bücher